KVNO aktuell Letzte Änderung: 27.03.2024 15:25 Uhr Lesezeit: 5 Minuten

Versorgung schwer psychisch Erkrankter: „Alle ziehen an einem Strang“

Seit mehr als einem Jahr können Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen von der Behandlung im Rahmen des Versorgungsprogramms „KSVPsych“ profitieren.

In ganz Nordrhein arbeiten dafür Fachleute bereits eng zusammen. Bei einer Informationsveranstaltung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein berichteten sie von ihren Erfahrungen und motivierten ihre Kolleginnen und Kollegen zur Teilnahme am Netzwerk.

Die Lebensqualität von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen steht im Mittelpunkt der Versorgung – darin waren sich alle Vertreterinnen und Vertreter der bestehenden Netzverbünde einig. Sie berichteten bei einer Informationsveranstaltung der KV Nordrhein Ende Januar über ihre Erfahrungen mit der Behandlung nach der KSVPsych-Richtlinie (kurz für „berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf“).

Das Programm, das seit Oktober 2022 zur Regelversorgung gehört, basiert auf dem Innovationsfondsprojekt NPPV, das die KV Nordrhein bereits vor einigen Jahren in die Wege geleitet hatte. Seitdem hat sich die Versorgung der teilnehmenden Patientinnen und Patienten mit komplexem psychotherapeutischem und psychiatrischem Behandlungsbedarf deutlich verbessert.

Behandlerinnen und Behandler arbeiten fach- und systemübergreifend in regionalen Netzverbünden zusammen. Ein Netzverbund muss aus mindestens zehn Mitgliedern bestehen. Beteiligt sind unter anderem Fachärztinnen und -ärzte für Psychiatrie, psychosomatische Medizin und Nervenheilkunde sowie Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Außerdem ist die Zusammenarbeit mit einer Fachklinik verpflichtend. Die Verbünde kooperieren eng mit weiteren Berufsgruppen und Leistungserbringenden, etwa in den Bereichen Ergo- und Soziotherapie oder der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege. Eine gemeinsame IT-Plattform erleichtert die Absprachen.

Vorteile für die Patientinnen und Patienten

„Patientinnen und Patienten profitieren insbesondere durch den Austausch zwischen den Leistungserbringenden und durch die Unterstützung einer nichtärztlichen Koordinationsperson, zum Beispiel einer Medizinischen Fachangestellten“, erklärte Melina Haack, Referentin des Bereichs Gesundheitspolitik und Strategische Sicherstellung der KV Nordrhein.

Dr. med. Thilo Hashemi, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie aus Mettmann, nimmt am Verbund für den Raum Düsseldorf teil. „Viele sind durch ihre Erkrankungen nicht in der Lage, Dinge in die Wege zu leiten oder umzusetzen, die man besprochen hat“, sagt er aus Erfahrung. Das gelinge durch die engmaschige Begleitung wesentlich besser – und so verbessere sich auch der Zustand der Patientinnen und Patienten. Außerdem können die Betroffenen durch die intensive ambulante Betreuung in ihrem gewohnten sozialen Umfeld bleiben und den „Drehtür-Effekt“ in den Kliniken vermeiden. Diese Erkenntnis teilt Dr. med. Marc Schneider, ebenfalls Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie aus Moers und im Netzverbund für die Region des Ruhrgebiets: „Die meisten sind dankbar, wenn wir anstelle eines Klinikaufenthalts eine andere Lösung finden können. Damit steigt auch die Therapie-Motivation.“ Einen weiteren Vorteil sieht Schneider in der engen Zusammenarbeit mit den Soziotherapeutinnen und -therapeuten, die teils noch weitere Einblicke in das Leben der Betroffenen erhalten. „Viele Probleme werden erst im häuslichen Umfeld deutlich, seien es Chaos in der Wohnung, Briefberge oder familiäre Konflikte. Wenn ich diese Faktoren mit einbeziehe, kann ich die Therapie entsprechend anpassen“, sagt Schneider.

Wichtig ist: Alle ziehen an einem Strang. „Früher liefen die einzelnen Behandlungen oft unabhängig und parallel voneinander – und die Ideen gingen nicht immer in die gleiche Richtung“, berichtet Susanne Rauch, Fachdienstleitung des Sozialpsychiatrischen Zentrums des Caritas-Verbands Moers-Xanten. „Jetzt stimmen wir uns ab. Das ist eine große Chance für die Patientinnen und Patienten.“

Vorteile für die Behandelnden

Auch Julia Leithäuser, Psychologische Psychotherapeutin aus Bonn, sieht das Netzwerk als Bereicherung für ihre Arbeit. Organisatorisch schätzt sie die Zusammenarbeit mit dem Dienstleiter IVP Networks. Dieser hat einen Rahmenvertrag mit der KV Nordrhein abgeschlossen und unterstützt unter anderem beim Beitritt in den Verbund, der Organisation und der Abrechnung.

Die Abrechnung erfolgt – ganz ohne separate Formulare – über festgelegte EBM-Ziffern. Besondere Leistungen, etwa Fallbesprechungen oder die Koordination der Versorgung durch eine nichtärztliche Person, werden entsprechend vergütet. Auch wenn die Vergütung gut ist, ist der größte Gewinn nicht monetär, wie Yigit Sinan Saltik, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Alsdorf, es schließlich für alle Teilnehmenden auf den Punkt bringt: „Die Patientinnen und Patienten danken es einem. Das ist ganz wichtig für mich.“

Weitere Informationen, auch zu den bestehenden Netzverbünden, sind unter kvno.de/ksvpsych zu finden.

  • Ina Armbruster

Teilnahme insbesondere von Psychologischen Psychotherapeutinnen und –therapeuten erwünscht

Vier Netzverbünde sichern bereits die Versorgung nach der KSVPsych-Richtlinie in ganz Nordrhein. Die Teilnehmenden freuen sich jederzeit über weitere Mitglieder aller relevanten Fachbereiche – vor allem ist die Teilnahme weiterer Psychologischer Psychotherapeutinnen und –therapeuten ausdrücklich erwünscht. Kontaktaufnahme per E-Mail an komplexversorgung@kvno.de oder direkt an den regionalen Netzverbund:

Hausärztinnen und –ärzte können Überweisung ausstellen

Bisher empfehlen überwiegend Fachärztinnen und –ärzte beziehungsweise Psychologische Psychotherapeutinnen und –therapeuten ihre Patientinnen und Patienten für das Programm. Die Teilnehmenden der Netzwerke betonen: Auch Hausärztinnen und –ärzte können Betroffene mit schweren psychischen Erkrankungen, bei denen eine komplexe Behandlung notwendig ist, für das KSVPsych-Programm empfehlen. Patientinnen und Patienten können sich mit einer Überweisung direkt bei der TSS unter der Telefonnummer 0800 116 117 05 zur Terminvermittlung in einem Netzverbund melden.