Recht Letzte Änderung: 19.06.2020, 13:15 Uhr

Empfehlungen zur Kooperation mit pharmazeutischen Unternehmen

Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein hat in seiner Sitzung am 15. Mai 2002 die Empfehlungen zur Kooperation mit pharmazeutischen Unternehmen ergänzt:

I. Vorteilsannahme und Bestechlichkeit

Der Straftatbestand der Vorteilsannahme ist im Strafgesetzbuch (StGB) in § 331 wie folgt gefasst: Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Seit einer mit der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption verbundenen Änderung des Strafgesetzbuches 1997 besteht für Amtsträger bzw. den öffentlichen Dienst durch Einbindung in eine Behördenstruktur besonders Verpflichtete die Drittvorteilsproblematik.

Auch Mitarbeiter der KV betroffen

Ein Vorteil im Sinne der Vorteilsannahme gemäß § 331 StGB sowie der Bestechlichkeit gemäß § 331 StGB darf nicht nur nicht mittelbar oder unmittelbar an den Amtsträger bzw. den für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (was im Übrigen weit zu fassen ist und damit auch Mitarbeiter der KV betrifft), sondern auch nicht mehr an einen Dritten gegeben werden.

Das bedeutet, dass die Annahme von Sponsoring der Pharmaindustrie für Fortbildungen, Veranstaltungen, Veröffentlichungen und Ähnliches, obwohl sie keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil für den Amtsträger bzw. den Mitarbeiter der KV, der diese Veranstaltungen etc. organisiert, bedeuten, dennoch von der Staatsanwaltschaft als Straftat beurteilt werden könnte, da dadurch trotzdem an Dritte, nämlich die teilnehmenden Kassenärzte, ein Vorteil gegeben werden kann.

Die Rechtsprechung ist in solchen Fällen uneinheitlich, und eine zeitnahe konkrete Regelung des Gesetzgebers ist nicht zu erwarten. Das lässt der jeweiligen Staatsanwaltschaft einen Interpretationsspielraum.

Sponsoring sollte schriftlich genehmigt werden

Eine Strafbarkeit scheidet wegen Vorteilsnahme gemäß § 331 Abs. 3 StGB für den einzelnen Mitarbeiter wegen des Bestehens eines Rechtfertigungsgrundes aus, wenn die zuständige Behörde, hier also die KV, im Rahmen ihrer Befugnisse die Annahme solcher Vorteile vorher genehmigt.

Deshalb sollte in jedem einzelnen Fall ein aus Gründen der Rechtssicherheit schriftlich vorliegender Vertrag über Umfang von Sponsoring und Teilnahme der Pharmaindustrie vom Geschäftsführenden Vorstandsausschuss (GVA) genehmigt werden. So wird die Strafbarkeit des Einzelnen wegen Vorteilsannahme ausgeschlossen.

Dies nicht bei Verdacht auf Bestechlichkeit gemäß § 332 StGB. Ein Amtsträger (...), der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Auch Dritte dürfen keine Vorteile erhalten

Auch hier gilt die Drittvorteilsproblematik. Hier schützt die Genehmigung zwar nicht, aber durch die Diensthandlung muss eine Dienstpflicht verletzt worden sein. Für die Beurteilung dessen kommt es entscheidend auf den Charakter der dabei in Aussicht genommenen Diensthandlung, das heißt also auf Organisation, Inhalt und Präsentation der jeweiligen Veranstaltung oder Veröffentlichung an.

Hier darf in keiner Weise der Anschein einer eventuellen Pflichtwidrigkeit erweckt werden. Durch die Veranstaltung oder Veröffentlichung dürfen folglich keinesfalls diejenigen, für die derartige Veranstaltungen gemacht werden, die also letztlich von der Kooperation profitieren, nämlich die Kassenärzte, zu Pflichtwidrigkeiten aufgerufen oder verleitet werden.

Daher kommen an dieser Stelle als Maßstab sowohl die Berufsordnung (BO) für die Nordrheinischen Ärzte und Ärztinnen als auch die von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und dem Bundesfachverband Medizinprodukteindustrie (BVMed) Verhaltensregeln, der so genannte Kodex Medizinprodukte ins Spiel.

II. Aspekte der Berufsordnung

Nach § 35 BO ist die Annahme von Beiträgen Dritter für Veranstaltungskosten in angemessenem Umfang erlaubt, wenn Art, Inhalt und Präsentation allein von ärztlichen Veranstaltern bestimmt werden: Dann sind jedoch nach Satz 2 die Bezeichnungen zum Sponsor offen zu legen. Das bedeutet, Inhalt der Veranstaltung muss von der KV als ärztlichem Veranstalter bestimmt werden.

Dabei kann sicherlich auf Vorschläge des jeweils beteiligten Pharmaunternehmens eingegangen werden, aber die letzte Entscheidungskompetenz muss bei der KV verbleiben. Sinn und Zweck der Beschränkung auf einen angemessenen Umfang ist es ebenfalls, eine externe Einflussnahme auszuschließen und keine Abhängigkeit zu begründen.

Beziehung zum Sponsor offen legen

In jedem Fall muss aber die Beziehung zum Sponsor, also die Tatsache, dass und durch welches Unternehmen gesponsert wurde, offengelegt werden. Daher dürfte es vertretbar sein, Fortbildungsveranstaltungen und Ähnliches mit dem Hinweis zu versehen, dass Veranstaltungen oder Veröffentlichungen durch die Unterstützung der Firmen XY erfolgen.

Gemäß § 33 Satz 2 BO ist Teilnehmern von Informationsveranstaltungen die Annahme von Werbegaben oder Vorteilen untersagt, sofern diese nicht geringfügig sind. Die Einladung zu einem sozialadäquaten Abendessen dürfte hier durchaus zulässig sein. Deswegen sollte die KV, sofern sie darauf Einfluss hat, dahin wirken, dass im Zusammenhang mit Veranstaltungen der KV in Kooperation mit der Pharmaindustrie, keine darüber hinausgehenden Werbegaben oder Vergünstigungen an die Ärztinnen und Ärzte herangetragen werden.

Zumindest sollte nochmals auf § 33 BO, und auch darauf, dass es den Ärztinnen und Ärzten nach § 34 BO nicht gestattet ist, für die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln vom Hersteller eine Vergütung oder sonstige wirtschaftliche Vergünstigung anzunehmen, hingewiesen werden.

III. Kodex Medizinprodukte

Der Kodex ist vor drei Jahren von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und dem BVMed herausgegeben worden. Im Herbst diesen Jahres wird zwar ein neuer Kodex veröffentlicht werden, die Änderungen werden jedoch laut Ankündigung wohl nur marginal sein.

Verhaltensregeln zum Sponsoring

Der Kodex gibt Verhaltensregeln im Zusammenhang mit Sponsoring im Gesundheitsmarkt vor, die sich insbesondere auf Vorschriften wie das Sozialgesetzbuch V, das Medizinproduktegesetz, das Heilmittelwerbegesetz, die Zugabeverordnung, die Berufsordnung und die hierzu ergangene Rechtsprechung stützen.

Die wesentlichen Verhaltensregeln über das bereits Genannte hinaus sind:

  • Entgeltliche und unentgeltliche Leistungen jeglicher Art dürfen nicht im Zusammenhang mit Umsatzgeschäften stehen. Daher empfiehlt sich Produktneutralität, mindestens jedoch die Nennung verschiedener alternativer Produkte, soweit es um beispielhafte Aufzählungen geht.
  • Es dürfen keine Zuwendungen gewährt werden, um in irgendeiner Art Einfluss auf Beschaffungsentscheidungen zu nehmen.
  • Fortbildungsveranstaltungen müssen stets der wissenschaftlichen Informationsvermittlung dienen und fachbezogen sein. Die Weitergabe von Erkenntnissen über Diagnostik und Therapie muss im Vordergrund stehen.

Spenden der Pharmaindustrie

Bezüglich Spenden der Pharmaindustrie gilt es außerdem folgendes zu beachten:

Die Gewährung von Spenden muss einen gemeinnützigen Zweck verfolgen, wie z. B. Verbesserung der Gesundheitsversorgung, Verbesserung der Patientenversorgung, Aus- und Weiterbildung. Außerdem sollte aus Gründen der Rechtssicherheit das Spendenkonto dem Spendenempfänger eindeutig zugeordnet werden können und der Erhalt der Spende schriftlich bescheinigt werden.

Katalog

Zusammenfassend ergibt sich folgender Katalog, anhand dessen eine mögliche Kooperation beurteilt werden kann:

  • schriftliche Verträge über Inhalt und Umfang der Kooperation
  • vorherige Genehmigung des einzelnen Vertrages durch den GVA
  • Art, Inhalt und Präsentation von Veranstaltungen und Veröffentlichungen müssen in letzter Konsequenz von der KV bestimmt werden
  • Beziehungen zum Sponsor sind offen zu legen
  • Annahme von Beiträgen für Veranstaltungskosten nur in angemessenem Umfang
  • keine Abgabe von größeren Werbegaben oder Vorteilen über ein Abendessen hinaus an teilnehmende Kassenärzte
  • kein Zusammenhang mit Umsatzgeschäften oder Beschaffungsentscheidungen, daher Produktneutralität
  • nur fachbezogene Fortbildungsveranstaltungen zur wissenschaftlichen Informationsvermittlung
  • Spenden müssen einen gemeinnützigen Zweck verfolgen, genau zugeordnet werden können und schriftlich bestätigt werden
  • das Verbot der privaten Bereicherung ergibt sich von selbst.

Kooperationen kommen daher wie folgt in Betracht:

1. Veranstaltungsbezogen

1.1 Indirekt

Eine derartige Kooperation liegt z. B. vor, wenn Saalmieten, Verpflegung, Referentenhonorare usw. von der Pharmaindustrie direkt bezahlt werden, ohne dass ein Geldzufluss bei der KV Nordrhein als Veranstalter stattfindet. Sofern mit dem Sponsor vereinbart wird, dass die Gestaltung und der Ablauf der Veranstaltung allein durch den Veranstalter bestimmt werden, sowie der Referent sich zur produktneutralen Information verpflichtet, bestehen gegen eine derartige Zusammenarbeit keine Bedenken.

1.2 Direkt

In diesem Fall wird von der Pharmaindustrie dem Veranstalter ein Betrag überwiesen, den dieser zur Durchführung der Veranstaltung verwendet. Sofern es sich um eine angemessene Kostenbeteiligung handelt und die Zusammenarbeit offengelegt wird, ist auch diese Kooperation ebenso wie die indirekte Förderung als möglich anzusehen.

2. Kooperationsformen ohne Geldfluss

2.1 Durchführung von Veranstaltungen

Die Durchführung von Veranstaltungen ist als problematisch anzusehen, da hier eine Zusammenarbeit ohne Bestimmungsrecht des Veranstalters anzunehmen ist. Die Kooperation sollte daher nur wie zu 1.1 beschrieben, durchgeführt werden.

2.2 Stellung von Referenten

Die Stellung von Referenten zur Veranstaltung ist dann als unproblematisch anzusehen, wenn die zu 1.1 aufgestellten Grundsätze – Einhaltung der Regelungen der Berufsordnung, Angemessenheit der Honorierung, Selbstverpflichtung zur Neutralinformation des Referenten – unter Wahrung des Bestimmungsrechts des Veranstalters beachtet werden.

Jede Kooperation vertraglich fixieren

Es ist festzuhalten, dass jede Kooperation vertraglich fixiert werden sollte und die vorstehenden Bedingungen dabei – sowie einschlägig – Ausdruck finden sollten. Unverzichtbar erscheint, die Zusammenarbeit transparent zu machen, das Bestimmungsrecht des Veranstalters und die Neutralität zu wahren sowie eine Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung zu beachten.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass Veranstaltungen von der KV Nordrhein nur fachgezogen durchgeführt werden können, was allerdings sowohl Inhalt und Umfang der vertragsärztlichen Versorgung umfasst als auch Aspekte der Sicherstellung und Gewährleistung.