MFA KVNO aktuell Letzte Änderung: 01.02.2024 13:39 Uhr Lesezeit: 3 Minuten

Die herausfordernde Suche nach MFA

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte haben es zunehmend schwer, qualifiziertes Praxispersonal zu gewinnen oder zu halten – ein Trend, der schon heute zu Einschränkungen in der ambulanten Versorgung führt.

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Wir fragen in unserer Serie „MFA im Fokus“ nach den Gründen. Als KV Nordrhein möchten wir Ihnen in den nächsten Ausgaben einige Anregungen geben, um Ihre Personalsuche und -bindung zu unterstützen. Dabei gehen wir in jeder Ausgabe auf Schwerpunktthemen ein, wie zum Beispiel Bewerbungsverfahren heute oder Wünsche und Vorstellungen der nächsten Generation, auch im Hinblick auf Arbeitszeitmodelle.

Medizinische Fachangestellte (MFA) sind das Rückgrat jeder Praxis. Sie vereinbaren nicht nur Termine, sondern managen den gesamten Praxisablauf: Sie nehmen etwa die Patientinnen und Patienten in Empfang, assistieren bei Behandlungen, kümmern sich um die Abrechnung. Viele junge Menschen spricht das an. Die MFA-Ausbildung, die sowohl medizinische als auch kaufmännische Inhalte umfasst, rangiert in Deutschland schon seit Jahren ganz oben im Ranking der beliebtesten Ausbildungsberufe, vor allem bei jungen Frauen.

Das sind sehr gute Voraussetzungen für die Gewinnung von MFA. Gleichzeitig gibt es jedoch auch große Herausforderungen, denn trotz der Attraktivität bei Berufseinsteigenden sind einige Stellen in den nordrheinischen Praxen unbesetzt. Einer Befragung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zur „Personalsituation in Praxen der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung“ zufolge suchte jede zweite Praxis schon vor der Pandemie qualifiziertes, nicht ärztliches Personal – oft ohne Erfolg.

Die Gründe, die MFA für einen Berufswechsel nennen, bieten gleichzeitig Ansatzpunkte für den gewünschten Verbleib im MFA-Beruf, etwa die Vergütung. Hier setzt beispielsweise die Kampagne #PraxenKollaps an. Sie fordert Vergütungsänderungen, damit die Praxen ihre Mitarbeitenden besser bezahlen können. Ein weiterer Punkt ist die Arbeitszeit: Obwohl die Anzahl an Köpfen steigt, wächst die zur Verfügung stehende Arbeitszeit nicht gleichermaßen mit. Der Bundesagentur für Arbeit zufolge haben im Jahr 2021 rund 45 Prozent der MFA ihre Tätigkeit in Teilzeit ausgeübt. Die hohe Belastung des Personals hat besonders in der Pandemie zur erhöhten Fluktuation geführt.

Eine einheitliche Lösungsstrategie, die flächendeckend und auf jede Praxis angewendet werden kann, gibt es wahrscheinlich nicht. Wir haben uns für Sie mit dem Thema näher beschäftigt und möchten Ihnen in den nächsten Ausgaben von möglichen Ansätzen und Ideen zur Personalgewinnung berichten, die dabei helfen können, einen individuellen Lösungsansatz für Ihre Praxis zu finden.

Zum Auftakt unserer Serie möchten wir zunächst einmal genauer auf die Lage der Praxen in Nordrhein schauen. Dazu haben wir mit den beiden KV-Kreisstellenvorsitzenden Dr. Markus Wies aus Düsseldorf und Dr. Andrea Bamberg aus Düren gesprochen.


■ Simone Heimann

Dr. Markus Wies, Düsseldorf
© Malinka | KVNO

Dr. med. Markus Wies ist Facharzt für Allgemeinmedizin und Vorsitzender der Kreisstelle Düsseldorf. Er führt seine Praxis in Düsseldorf gemeinsam mit einem Kollegen. Die Praxis hat drei MFA.

Herr Dr. Wies, ist die Suche nach geeigneten MFA wirklich so herausfordernd?
Ja, diesen Trend beobachten wir seit einigen Jahren. Ein zentraler Punkt ist immer wieder das Gehalt. Vielen MFA ist das zu niedrig, obwohl ein Großteil der Praxen nach Tarifvertrag oder in Anlehnung an den Tarifvertrag zahlt und den Mitarbeitenden vielfältig entgegenkommt. Aber das kann die Abwanderung in andere Bereiche nicht stoppen. In Kliniken oder bei Krankenkassen verdienen MFA mehr. Das liegt an der Unterfinanzierung im ambulanten Bereich. Die Personalnot frustriert auch Praxisinhaber und lässt an der Zukunft der bisherigen Praxislandschaft zweifeln. Ein weiterer Aspekt sind möglicherweise andere Rahmenbedingungen, die größere Unternehmen ihren MFA bieten können: flexiblere Arbeitszeiten oder vielleicht mehr Urlaubstage.

MFA sind oft auch der Prellbock, wenn Patientinnen und Patienten verärgert sind, ein respektvoller Umgang mit den MFA bleibt dabei manchmal auf der Strecke, richtig?
Viele Menschen sind diskussionsfreudiger und anspruchsvoller geworden, natürlich auch in der Arztpraxis. Die Pandemie hat das noch verstärkt. Patientinnen und Patienten haben zum Beispiel oft über Impftermine und Impfstoffe diskutiert – leider nicht immer respektvoll gegenüber den MFA. Das ist natürlich frustrierend für das Praxispersonal. Für Frust können aber auch die Entwicklungen im technischen Bereich sorgen, etwa Störungen bei der Digitalisierung. Wenn es mit dem E-Rezept nicht klappt, ist das für die MFA frustrierend, in diesem Falle vielleicht aber auch für den Patienten. Dann ist der Unmut auf beiden Seiten groß.

Welche Ursachen sehen Sie noch für die schwierige Personalsuche?
Unser Bildungssystem; für eine MFA-Ausbildung ist mindestens ein Hauptschulabschluss erforderlich, aber der ist in unserer Gesellschaft nicht mehr erstrebenswert. Viele wollen Abitur machen, aber das MFA-Gehalt entspricht selten den Gehaltsvorstellungen von jungen Menschen mit Abitur. Das muss sich ändern. Der MFA-Beruf muss auch für Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen attraktiv werden. Ein Problem ist aber oft auch die Qualität der Bewerbungen, denn auf Ausschreibungen erhalten wir immer wieder auch Zuschriften von Bewerbern, die vom Arbeitsamt gedrängt werden, sich zu bewerben. Da fehlt dann oftmals das Engagement.

Dr. Andrea Bamberg, Düren
© privat

Dr.-medic (RO) Andrea Bamberg ist Fachärztin für Laboratoriumsmedizin, ärztliches Qualitätsmanagement und Vorsitzende der Kreisstelle Düren. Sie beschäftigt in ihrer Praxis 14 Mitarbeitende, darunter MFA und medizinisch-technische Assistenten (MTA).

Frau Dr. Bamberg, wie angespannt ist die Personalsituation in den Praxen im Kreis Düren?
Ich selbst bin von der Personalsuche aktuell nicht betroffen, aber ich telefoniere fast täglich mit Kolleginnen und Kollegen, die verzweifelt MFA suchen. Berufliche Wertschätzung spiegelt sich hauptsächlich im Gehalt wider. Hier haben die Tarifverträge für eine deutlich bessere Vergütung gesorgt. Viele Praxisinhaber finden aber trotz Bereitschaft zu übertariflicher Bezahlung keine MFA. Neben der Bezahlung spielen andere Faktoren wie Fortbildungsmöglichkeiten, Parkplatzangebot, Altersvorsorge, Kinderbetreuung eine wichtige Rolle. Jeder Bewerber hat sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Vielen Bewerbern sind flexible Arbeitszeiten sehr wichtig und sie legen sehr viel Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Das ist in gewisser Weise auch nachvollziehbar, aber wenn jemand nur zu bestimmten Zeiten arbeiten oder nur bestimmte Aufgaben übernehmen möchte, wird es schwierig.

Ein weiteres Problem ist, dass viele MFA zuerst in Vollzeit arbeiten, aber nach der Familiengründung nur noch in Teilzeit oder gar nicht mehr in den Beruf zurückkehren. Hier entsteht dann eine Lücke. Manche Praxen lösen das Problem, indem sie fachfremdes Personal beschäftigen, das administrative Aufgaben übernimmt, und MFA für medizinische Aufgaben einsetzen.

Was müsste sich ändern, damit es wieder mehr Bewerberinnen und Bewerber gibt?
Mein Wunsch an die Politik wäre, endlich das nicht mehr zeitgemäße Ehegattensplitting abschaffen, damit für den weniger verdienenden Partner wieder ein Anreiz zu Mehrverdienst geschaffen würde. Das Thema Personal ist aus unternehmerischer Sicht eines der schwierigsten Themen. Für mich ist die Ausbildung, am besten für die eigene Praxis, sehr wichtig. Dazu brauchen Praxen aber auch Zeit und Personal. Für uns als Arbeitgeber ist es wichtig, wertschätzend mit den Mitarbeitenden umzugehen und deren Stärken zu nutzen statt zu sehr auf die Schwächen zu schauen. Wichtig ist auch, Praxismarketing zu betreiben, flexible Arbeitszeiten anzubieten und individuelle Lösungen für bestimmte Themen mit den Bewerberinnen und Bewerbern zu finden – auch abseits der Kinderbetreuung. Die Ansprüche an den Arbeitgeber sind schon deutlich gestiegen. Eine Win-win-Situation zu schaffen, ist eine Kunst.