Letzte Änderung: 03.04.2007, 00:00 Uhr

Medizin light und teure Parallelstruktur

Für das zu Ende gehende Jahr zog der Vorstand der KV Nordrhein anlässlich der Sitzung der Vertreterversammlung am 24. November 2007 eine positive Bilanz. Bei den Honorarabschlüssen 2007 wurde das gesetzlich maximal Mögliche erreicht. Eine Reihe von Sonderverträgen bringt zusätzliches Geld in die Gesamtvergütung. Und durch eine solide Haushaltsführung bleibt der Verwaltungskostensatz für das Jahr 2008 konstant bei 2,8 Prozent.

Diktat der Deckelung

Durch einen Vergleich der Abrechnungsergebnisse seit dem Jahr 2000 belegte der KV-Vorsitzende Dr. Leonhard Hansen die relativ erfolgreiche Honorarpolitik des Vorstands. „Unter dem Diktat der Deckelung und der Beitragssatzstabilität kann die KV aber nur relativ erfolgreich sein“, betonte Hansen. In Folge der Deckelung der Gesamtvergütung müsse das Mengenwachstum allein von den Praxen getragen werden.

Der neue EBM und die damit einhergehende Vergütungsreform im Jahr 2009 werde „das Ende der Muschelwährung“ bringen. „Denn in den seit 1993 auf der Gesamtvergütung platzierten Deckel werden dicke Löcher gebohrt“, so Hansen. Das Risiko steigender Erkrankungsraten gehe endlich wieder auf die Krankenkassen über. Die Kassen seien zudem verpflichtet, die Entwicklung der Betriebskosten der Praxen zu berücksichtigen.

Einige Delegierte äußerten ihre Skepsis hinsichtlich der von der Politik versprochenen Honorarverbesserungen. Durch die Regelleistungsvolumen etwa werde ein Drittel der Hausarztpraxen „runter reguliert“, befürchtete der Kölner Allgemeinmediziner Dr. Heinrich Antz. In der Verknappung der ärztlichen Leistungen liege aber auch eine Chance, meinte der Düsseldorfer Orthopäde Dr. Andreas Gassen. Sie würden dann wieder in ihrem Wert erkannt.

Sorgen über Mengenentwicklung beim ambulanten Operieren

Auf Antrag von Dr. Hans Reinhard Pies, der als hausärztlicher Internist in Nettetal tätig ist, forderte die Vertreterversammlung die Kassenärztliche Bundesvereinigung auf, auf weitere Qualitätszuschläge im neuen EBM vor allem für die Psychosomatik zu verzichten. Dr. Ludger Wollring, Augenarzt aus Essen, machte sich Sorgen über die Mengenentwicklung beim ambulanten Operieren. Auf seine Initiative hin wurde der Vorstand beauftragt, über eine Mengenregulierung beim ambulanten Operieren nachzudenken.

Vor dem Hintergrund der Ausgabensteigerung für Arzneimittel verwies Hansen auf den großen Anteil, den die Mehrwertsteuererhöhung an diesen Kostensteigerungen hat. Hansen: „Ich halte den vollen Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel für einen Skandal“! In einer vom Vorstand beantragten Resolution forderten die Delegierten einstimmig die Abschaffung, zumindest aber die Senkung auf sieben Prozent.

Um auch in Zukunft die Arzneimittelausgaben auf ein vertretbares Maß zu beschränken, empfahl Hansen, auf Kassenrezepten das Aut-idem-Feld frei zu lassen. Denn dann obliege es der Apotheke, das kassenspezifische Rabattpräparat auszuwählen. Dem widersprach Dr. Rolf Ziskoven, Hausarzt aus Sankt Augustin. Seiner Meinung nach ist nicht ausreichend geklärt, ob der Haftungsanspruch im Falle von aut idem tatsächlich auf den Apotheker übergehe.

Ambulanter Sektor heiß umkämpft

In seiner gesundheitspolitischen Positionsbestimmung führte Hansen vor Augen, dass die ambulante medizinische Versorgung das Zukunftsfeld des Gesundheitswesens sei. Das habe den ambulanten Sektor zu einem heiß umkämpften Markt werden lassen. „Gegen unsere Profession richtet sich die Strategie einer sukzessiven Deprofessionalisierung der Ärzteschaft und einer Professionalisierung der nichtärztlichen Berufe“, warnte Hansen.

Jüngstes Beispiel sei der Gesetzentwurf zur Pflegereform. Darin sei vorgesehen, pro 20.000 Einwohner regionale „Pflegestützpunkte“ zu etablieren, in denen eine umfassende „Pflegeberatung“ als neues Leistungsangebot vorzuhalten sei. Die Anschubfinanzierung pro Stützpunkt würde bis zu 50.000 Euro verschlingen. Die Berater übernähmen ein umfassendes Case- und Care-Management. „Sie stünden damit in direkter Konkurrenz zur Koordinationsfunktion des Hausarztes“, so Hansen.

Zudem sollten heilkundliche Kompetenzen auf Angehörige der Pflegeberufe übertragen werden. Darüber hinaus sollen Heime zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden und eigene Ärzte einstellen dürfen. „Diese Bestrebungen demontieren nicht nur unsere ärztliche Kompetenz. Zugleich wird damit eine Absenkung des medizinischen Versorgungsstandards in der ambulanten Versorgung eingeleitet.“

Verwaltungssatz bleibt konstant

Der Verwaltungskostensatz bleibt bei 2,8 Prozent des Arztumsatzes für Mitglieder, die ihre Abrechnung per Diskette vornehmen. Manuell abrechnende Praxen zahlen weiterhin 3,5 Prozent.

Hansen warnte auch vor den Bestrebungen von Krankenhausträgern, als Leistungsanbieter aktiv zu werden und einen Anteil aus dem ambulanten Sektor herauszubrechen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft habe öffentlich erklärt, die Optionen des § 116b des Fünften Sozialgesetzbuchs extensiv nutzen zu wollen. „Das ist eine akute Bedrohung für unsere fachärztlichen Kolleginnen und Kollegen. Denn durch diesen Paragraphen werden die Krankenhäuser an der ambulanten Versorgung beteiligt, zum Beispiel für das gesamte Behandlungsspektrum der Onkologie, ohne Ermächtigungen, ohne Zulassungsausschüsse“, befürchtet Hansen.

Der KV-Vorsitzende schloss mit einem Appell zur Geschlossenheit. „Auf diesem hart umkämpften Markt haben wir, die in der Kassenärztlichen Vereinigung organisierten Vertragsärzte, Psychologischen Psychotherapeuten, ermächtigten und angestellten Ärzte, noch eine günstige Wettbewerbssituation: Durch die KV als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfügen wir über Entscheidungs- und Interventionsmöglichkeiten, die andere Akteure auf diesem Feld nicht haben.“ Der Vorstand der KV Nordrhein sei entschlossen, diese strategisch günstige Position im Interesse aller niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zu behaupten und auszubauen.

Pflegestützpunkte sind unnötige Parallelstruktur

Die Vertreterversammlung der KV Nordrhein forderte einstimmig Bundesregierung und Bundesrat auf, den Entwurf des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Pflege noch einmal zu überdenken:

„Unsere Kritik am vorliegenden Gesetzentwurf konzentriert sich auf folgende vier Punkte:

  1. Mit der vorgesehenen Errichtung von so genannten Pflegestützpunkten wird eine weitere Parallelstruktur im ambulanten Sektor des Gesundheitswesens geschaffen. Allein die Anschubfinanzierung von 50.000 Euro je Stützpunkt würde 800 Millionen Euro verschlingen, ohne dass davon ein Cent in die Versorgung der Patienten geflossen ist.
  2. Mit der geplanten Kompetenz-Zuweisung von Case- und Caremanagement treten diese Zentren in Widerspruch zur Koordinationsfunktion des Hausarztes. Konflikte und Reibungsverlust zu Lasten der Patienten sind vorprogrammiert.
  3. Die geplante Übertragung heilkundlicher Kompetenzen auf Angehörige der Pflegeberufe führt de facto zu einer Absenkung des medizinischen Versorgungsstandards.
  4. Die Kreation des „Heimarztes“ als angestellter Arzt im Pflegeheim löst die Versorgungsprobleme von Altenheimbewohnern nicht. Sie schränkt die freie Arztwahl der Heimbewohner ein.

Statt dieser teuren und wenig zweckdienlichen Regelungen schlagen wir vor, dass

  • die Delegation von Aufgaben, die im engeren Sinne nicht zu den ärztlichen Kernkompetenzen gehören, erweitert werden sollte;
  • die Medizinischen Fachangestellten eine tragende Rolle auch in der aufsuchenden Betreuung chronisch Kranker übernehmen sollten;
  • eine klare Definition der ärztlichen Leistungen, die Gesamt- und Letztverantwortung des Arztes für Diagnostik und Therapie auch der chronisch Kranken und Pflegebedürftigen sichern sollte.

Auch wir sehen die Herausforderungen der demographischen Entwicklung. Sie ist aber nicht durch Medizin light zu meistern, sondern nur durch eine zweckgerichtete Allokation der Mittel, durch ein erfolgreiches Schnittstellenmanagement und durch ein strukturiertes Zusammenwirken von Medizin und Pflege. Daran arbeiten wir gerne mit.“

Auszeichnung für Dr. Klaus Werner

Mit der Johannes-Weyer-Medaille ehrte die nordrheinische Ärzteschaft Dr. Klaus Werner. Der 78-Jährige erhielt die Auszeichnung für sein Engagement und seine Fachkompetenz. Werner war als Gynäkologe in Duisburg niedergelassen. Er war Mitbegründer des Onkologischen Schwerpunktes Duisburg und führte als erster Niedergelassener in Nordrhein ambulante Mammographien durch.

1997 wechselte er als Beratender Arzt zur Bezirksstelle Duisburg der KV Nordrhein und unterstützt seit 2004 als Medizinischer Sachverständiger den Prüfungs- und Beschwerdeausschuss Nordrhein.

Dr. Dieter Mitrenga im Ruhestand

Standing Ovations gab es für den aus Altersgründen als Ärztlicher Direktor des Krankenhauses der Augustinerinnen in Köln ausscheidenden Dr. Dieter Mitrenga. Mit dem Ruhestand zum 1. Januar 2008 endet seine Ermächtigung und damit auch die Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung der KV Nordrhein.

In seiner Laudatio würdigte der KV-Vorsitzende Dr. Leonhard Hansen die beispielhafte Identifikation mit Amt und Körperschaft, seine Verdienste für die Sache der Ärzteschaft, namentlich im Bereich der Fort- und Weiterbildung.