KVNO aktuell Letzte Änderung: 27.03.2024 14:42 Uhr Lesezeit: 6 Minuten

Vertreterversammlung: KVNO verurteilt grünes Licht für „Cannabisgesetz“

Ein schwarzer Tag für Jugendschutz und Drogenprävention: Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), Dr. med. Frank Bergmann, kritisierte zum Auftakt der KVNO-Vertreterversammlung am 22. März 2024 das Votum des Deutschen Bundesrates, das umstrittene „Cannabisgesetz“ passieren zu lassen.

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© Aleksej | AdobeStock
Scharfe Kritik: Durch das „Durchwinken“ des umstrittenen „Cannabisgesetzes“ im Bundesrat sei die Bundesrepublik nun Lichtjahre von echter Drogenprävention und nachhaltigem Jugendschutz entfernt, sagte KVNO-Chef Dr. med. Frank Bergmann im Rahmen der Vertreterversammlung.

Weitere zentrale Themen der Sitzung der Delegierten waren erneut die angespannte Finanzlage des ambulanten Sektors und die Untätigkeit des Bundes – viele Ankündigungen, wenig zählbarer Ertrag.

Durch diese Entscheidung hat die Bundesrepublik gute Chancen, in die Champions League der Drogen-Kriminalität aufzusteigen“ – mit deutlichen Worten kritisierte Dr. med. Frank Bergmann das Votum des Deutschen Bundesrates vom 22. März 2024, das umstrittene „Cannabisgesetz“ passieren zu lassen. Es war der Auftakt zur VV der KVNO im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft. Laut des KVNO-Chefs hat es in den vergangenen Monaten keinen einzigen medizinischen Verband gegeben, der sich positiv zum Gesetz geäußert habe. Auch der KVNO-Vorstand habe das Vorhaben von Beginn an öffentlich aufs Schärfste kritisiert. Durch das heutige „Durchwinken“ im Bundesrat sei man nun Lichtjahre von echter Drogenprävention und nachhaltigem Jugendschutz entfernt.

Cannabis hat gerade bei jungen Erwachsenen negative Auswirkungen auf die Psyche. Der nun nahezu freie Konsum wird die ambulanten Versorgungsstrukturen in den kommenden Jahren vor erhebliche Herausforderungen stellen.

Dr. med. Frank Bergmann, KVNO-Vorstandsvorsitzender

Entbudgetierung aller Fachgruppen

Weitere Herausforderungen ergeben sich laut dem KVNO-Chef auch aus der aktuellen gesundheitspolitischen Gemengelage, die er mit „viele Ankündigungen, bisher leider kein zählbarer Ertrag“ zusammenfasste. Den jüngsten Willensbekundungen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zum Trotz seien bis zuletzt weder beim Bürokratieabbau, der Abschaffung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen, noch bei der angekündigten Entbudgetierung der Hausärzte konkrete Taten des BMG gefolgt, so der KVNO-Chef. Dabei dränge insbesondere bei der ambulanten Finanzlage mehr denn je die Zeit: Wie Bergmann der VV berichtete, betrug die Unterfinanzierung der ambulanten Versorgung in Nordrhein allein in den ersten drei Quartalen 2023 insgesamt rund 385 Millionen Euro. „Und diese Mittel sind keine Extra-Zuwendung, sondern stehen den Kolleginnen und Kollegen als Honorar für ihre geleistete Arbeit zu, so wie andere Berufsgruppen auch vollständig für ihre Arbeit bezahlt werden“, betonte der KVNO-Vorsitzende. Er kündigte an, dass die KVNO sich auf Bundesebene weiterhin intensiv für eine vollständige Entbudgetierung aller Fachgruppen einsetzen werde. Entsprechende Schritte seien unter anderem im Rahmen der letzten VV der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bereits auf den Weg gebracht worden.

Eigenen Gestaltungsspielraum genutzt

Ihren eigenen Gestaltungsspielraum für eine Verbesserung der ambulanten Rahmenbedingungen habe die KVNO laut Bergmann zuletzt immer wieder positiv genutzt: So konnten etwa in der neuen Prüfvereinbarung mit den nordrheinischen Kassen die Regressbelastungen signifikant reduziert werden. Ebenso wurde mit den Kassen „als erster gemeinsamer Schritt“ eine Erhöhung des Finanzierungsvolumens für die Notdienststrukturen im Landesteil vereinbart. „Die Notdienst-Finanzierung muss aber insgesamt und zeitnah im Bund auf eine neue Basis gestellt werden“, so Bergmann. Dies betreffe insbesondere den Aspekt einer Vorhaltefinanzierung analog zum Krankenhausbereich, etwa für die wachsenden Betriebskosten der Portalpraxen oder zur Deckung steigender MFA-Gehälter. Hierzu stehe man „dem Gesetzgeber hartnäckig auf den Füßen“.
Ebenso deutlich Position im Sinne der Praxen bezog der KVNO-Vorstand beim Thema elektronische Patientenakte für alle (ePA). Der für Januar 2025 vom Gesetzgeber angekündigte Neustart der Anwendung müsse unbedingt aufwandsarm in den PVS-Systemen der Praxen funktionieren (siehe Schwerpunktthema ab S. 2).
Gute Nachrichten konnte der KVNO-Vorstand zu einigen jüngeren Projekten im Rheinland verkünden: So habe sich etwa die Übernahme der 116 117-Hotline in Eigenregie der KVNO nach einjährigem Fazit als richtige Entscheidung erwiesen. Die Erreichbarkeit und Serviceleistung der Rufnummer hätten sich in Nordrhein seit März 2023 erheblich verbessert. Auch habe die über die 116 117 zwischen Dezember und Januar vermittelte kinderärztliche Videosprechstunde der KVNO den pädiatrischen Notdienst im Landesteil erneut wesentlich entlasten können. 90 Prozent der Anrufenden waren mit der medizinischen Beratung zufrieden. Während der Osterferien, zwischen dem 23. März bis zum 7. April, hat die KVNO diesen Service erneut angeboten.

Neues QS-Verfahren in der Psychotherapie

Der KVNO-Vize informierte die VV auch über das 2025 startende Modellprojekt des Gemeinsamen Bundesaus-
schusses (G-BA) zur datengestützten Qualitätssicherung (QS) im Bereich der ambulanten Psychotherapie. Dieses soll laut Dr. med. Carsten König, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVNO, auf G-BA-Beschluss für sechs Jahre in NRW erprobt werden und gelte für alle Patientinnen und Patienten ab 18 Jahren, die ihre Psychotherapie regulär beendet haben. Praxen müssen im Rahmen des Projektes bestimmte Angaben dokumentieren und an die KV übermitteln. Ebenso sollen Daten aus einer Patientenbefragung in das QS-Verfahren einfließen. „NRW wurde als Modellregion vom G-BA festgelegt. Zusammen mit der KV Westfalen-Lippe werden wir uns für eine möglichst bürokratiearme Umsetzung stark machen. Ebenso ist klar, dass der gestiegenen Zeit- und Technikaufwand für die Praxen kostendeckend gestaltet sein muss“, sagte König. Einem gleichlautenden Antrag einiger psychotherapeutischer VV-Mitglieder folgte das Plenum mit großer Mehrheit. Ebenso sollen die gesammelten Daten nach Abschluss des Projektes an ein unabhängiges Institut übergeben werden, heißt es in dem Beschluss. König sieht in der sechsjährigen Erprobungsphase die Chance, dass sich nordrheinische Praxen gestaltend und aktiv in das Modell einbringen können. „Durch die geplanten regelmäßigen Feedbacks können wir die Dinge ein Stück weit selbst in die Hand nehmen“, sagte der KVNO-Vize. Im Vergleich zu anderen derzeitigen Digitalisierungsvorhaben, etwa die ePA oder das E-Rezept, sei dies in Summe eine gute Nachricht für die Kolleginnen und Kollegen.

  • Christopher Schneider