KVNO aktuell Letzte Änderung: 01.02.2024 10:43 Uhr Lesezeit: 4 Minuten

Ergebnisse der KVNO-Umfrage: Das Belegarztwesen in Gefahr?

Eins ist klar: Der stationäre Sektor ist im Wandel. Zur Veränderung tragen die neue Krankenhausplanung in NRW sowie die Krankenhausreform (aktuell auf Bundesebene in Vorbereitung) in erheblichem Maße bei – ebenso die Tatsache, dass die Ambulantisierung medizinischer Leistungen allgemein forciert wird.

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© xixinxing | AdobeStock

Das wirkt sich auch auf das Belegarztwesen aus. Es wird mit Einschränkungen bei den in diesem Bereich erbrachten Leistungen gerechnet. Dabei zeichnet sich bereits schon länger ein Trend ab: In den vergangenen zwei bis drei Jahren hat sich die Zahl der belegärztlich Tätigen nahezu halbiert – viele Ärztinnen und Ärzte schieden dabei nicht freiwillig aus. Das ergab eine Umfrage der KV Nordrhein. Wir stellen die Ergebnisse vor und blicken auf die Zukunft des Belegarztwesens.

Die Entwicklungen im stationären Bereich führen bei immer mehr belegärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzte zu Bedenken. Um die aktuellen Veränderungen aus der Perspektive der Betroffenen abbilden zu können, hat die KV Nordrhein eine Umfrage unter den Belegärztinnen und -ärzten sowie den Belegkliniken durchgeführt. Die Teilnahmequote verdeutlicht die Relevanz des Themas: Mehr als 75 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte sowie 90 Prozent der Belegkrankenhäuser nahmen an der Umfrage teil.

Ein Punkt, in dem sich belegärztlich Tätige, Kliniken und KVen einig sind: Das Belegarztwesen ist ein Paradebeispiel für intersektorale sowie fachübergreifende Zusammenarbeit – und für die Sicherstellung der regionalen Versorgung von großer Bedeutung. Dennoch wurde dieser Bereich in jüngster Vergangenheit schon deutlich beschnitten. Die Umfrage-Ergebnisse zeigen, dass etwa 50 Prozent der bisherigen Belegärztinnen und –ärzte dieser Tätigkeit mittlerweile nicht mehr nachgehen, obwohl sie es gern würden. Dabei waren es größtenteils die Krankenhäuser, die innerhalb der vergangenen zwei bis drei Jahre die Belegarztverträge kündigten.

Die Gründe dafür sind seitens der Kliniken unterschiedlich. Einige schließen ihre Belegabteilungen vollständig, wovon gewisse Fachrichtungen stärker betroffen sind als andere, beispielsweise die Abteilungen der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (siehe Abb. 1). In den Krankenhäusern, in denen über die Zukunft der Belegabteilungen noch nicht final beschlossen wurde, wird häufig auf die Entscheidung der Planungsbehörden im Rahmen der neuen nordrhein-westfälischen Krankenhausplanung gewartet.

Grafik: Orte des ambulanten Operierens
© KV Nordrhein

Belegärztliche OPs nahezu alternativlos

Ist es eine Alternative, die Leistungen statt belegärztlich ambulant zu erbringen? Das gestaltet sich äußerst schwierig, denn belegärztliche Operationen können nicht einfach durch ambulante OPs ersetzt werden. Insbesondere bei Kindern, hochbetagten, multimorbiden und in ihrer Mobilität eingeschränkten Patientinnen und Patienten ist es notwendig, dass nach dem Eingriff eine stationäre Betreuung erfolgt. Diese Zielgruppen sind bei Wegfall der Belegabteilung darauf angewiesen, in Hauptabteilungen der Krankenhäuser stationär aufgenommen zu werden. Das ist unter Umständen mit langen Fahrtzeiten verbunden und die Behandlung erfolgt durch fremde Ärztinnen und Ärzte der Kliniken. Niedergelassene Fachärztinnen und -ärzte hingegen können die Operation in einem Belegkrankenhaus zeit- und wohnortnah durchführen.

Für Patientinnen und Patienten, bei denen eine ambulante Leistungserbringung des Eingriffes möglich ist, werden die Kapazitäten aufgrund der aktuellen Entwicklungen jedoch ebenfalls eingeschränkt. Bei Betrachtung der Orte, an denen ambulante Operationen durchgeführt werden, fällt auf, dass nahezu die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte einen Krankenhaus-OP zur Durchführung ambulanter Eingriffe nutzt (siehe Abb. 2). Ambulante Operationszentren (AOP-Zentren) stehen oftmals nicht in ausreichender Anzahl und in wohnortnahen ländlichen Regionen zur Verfügung. Um solch eine Behandlung in der eigenen Praxis durchführen zu können, sind die Anforderungen an die Räumlichkeiten hingegen oftmals so hoch, dass diese nicht erfüllbar respektive unter Umständen nicht wirtschaftlich zu realisieren sind.

Die belegärztlich Tätigen, die bisher Krankenhaus-OPs zum ambulanten Operieren nutzten, berichten aber gleichzeitig davon, dass durch die Beendigung des Belegarztverhältnisses auch der Zugang zu den Krankenhaus-OP-Sälen nicht mehr vorhanden ist. Kliniken vergeben die Zeiten bevorzugt für lukrative Eingriffe oder nutzen die Kapazitäten im Rahmen ihrer Ermächtigung selbst. Hinzu kommt der Wegfall von Krankenhausstandorten, die – wie durch die mit der Krankenhausreform angedachten Veränderungen aktuell zu erwarten ist – in naher Zukunft zunehmen werden. Damit drohen auch diese Kapazitäten zu entfallen.

Grafik: Zukunftsplanung der Belegabteilungen je Fachrichtung
© KV Nordrhein

Belegarztwesen muss erhalten bleiben

Einer der wesentlichen Punkte, die sich aus der KVNO-Umfrage ableiten lassen: Es ist maßgeblich, dass die Leistungserbringung der niedergelassenen Fachärztinnen und -ärzte bei der Krankenhausreform mitgedacht wird. Die Reformierung des stationären Sektors kann nicht zielführend sein, wenn die ambulante Versorgung nicht gleichermaßen in die Planungen einbezogen wird. Rückendeckung kommt dabei auch aus der Vertreterversammlung der KVNO: Die Delegierten sprachen sich ausdrücklich dafür aus, die belegärztliche Leistungserbringung zu erhalten.

Die konkrete Zukunft des Belegwesens hängt indes von vielerlei Faktoren ab. Daher gilt es nun, die Interessen der Belegärztinnen und -ärzte mit Nachdruck zu vertreten und für eine angemessene Vergütung der ambulanten Operationen einzustehen. „Wir stehen in engem Kontakt mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Wir begleiten die Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen kritisch. Der nächste Schritt: ein Austausch mit dem Bundesverband der Belegärztinnen, -ärzte und Belegkrankenhäuser“, so Jonas Bördner, Leiter der KVNO-Stabsstelle Gesundheitspolitik und Strategische Sicherstellung, dessen Bereich die Umfrage durchgeführt hat und das Thema inhaltlich verantwortet. Die erhobenen Daten dienen dabei als wichtige Grundlage für die konstruktiven Auseinandersetzungen mit allen Beteiligten.

  • Hildegard Arntz

Krankenhausplanung NRW

Die Krankenhausplanung in NRW wird sich künftig nicht mehr allein an der Bettenzahl orientieren. Zur Ermittlung des stationären Bedarfs wird die jährliche Fallzahl je medizinscher Leistung herangezogen. Zudem erfolgt die Krankenhausplanung über differenzierte Leistungsbereiche und Leistungsgruppen. Das soll eine sachgerechte und transparente Strukturierung der Versorgung ermöglichen. Die flächendeckende Versorgung steht im Vordergrund und soll durch Digitalisierung und die Vernetzung von Krankenhäusern erreicht werden. Insbesondere im ländlichen Raum soll dadurch die Versorgungsqualität verbessert werden.

Grafik: Resonanz zur Umfrage im Belegarztwesen
© KV Nordrhein