IT KVNO aktuell Letzte Änderung: 27.03.2024 14:08 Uhr Lesezeit: 6 Minuten

eHealth: Start der ePA muss im Sinne der Praxen erfolgen

Das nächste Großprojekt der Digitalisierung im Gesundheitswesen, die elektronische Patientenakte, kurz ePA, bewegt aktuell die Ärzte- und Psychotherapeutenschaft.

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© KV Nordrhein
Erfolgreich umgesetzt: Mehr als 2000 Zuschauende verfolgten die Vorträge zur ePA im Livestream - gesendet vom KVNO-Standort in Köln.

Ab dem 15. Januar 2025 soll sie allen Versicherten zur Verfügung stehen. Bis dahin bleiben viele Fragen. Eins aber steht aus Sicht der Praxen fest: Anders als zuvor muss die Politik diesmal frühzeitig für klare Verhältnisse sorgen und auch die Systemhersteller in die Pflicht nehmen.

Geht es nach dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), steht bereits im kommenden Jahr die nächste große digitale Veränderung ins Haus: Bis zum 15. Januar 2025 soll jeder gesetzlich Krankenversicherte eine ePA erhalten – es sei denn, er widerspricht. Mit dieser als Opt-out-Regelung bekannt gewordenen Strategie soll die ePA nach Vorstellung des Gesetzgebers nicht nur in die Fläche, sondern vor allem auch rasch in die Anwendung kommen. Droht nach dem überhasteten und teils holprigen Start von E-Rezept und elektronischer AU (eAU) ein Déjà-vu?

Tatsächlich gibt es die elektronische Patientenakte nun bereits seit über drei Jahren. Seit Januar 2021 haben Versicherte gegenüber ihren Krankenkassen einen Anspruch auf Einrichtung der ePA. In den Praxen spielt sie dagegen bislang kaum eine Rolle. Laut gematik verfügt nur eine Millionen Versicherte über eine ePA. Das soll sich jetzt ändern.

Dass die Aussicht auf eine „ePA für alle“ in den Praxen derzeit für viele Fragezeichen sorgt, wurde bei der Infoveranstaltung überdeutlich, welche die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) zusammen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Ende Februar durchgeführt hatte. Mehr als 2000 Zuschauerinnen und Zuschauer – in erster Linie Niedergelassene – verfolgten die Vorträge über den Livestream, unter anderem von Sebastian Zilch, BMG-Unterabteilungsleiter für gematik, E-Health und Telematikinfrastruktur. In ihren Rückmeldungen äußerten sie Bedenken, dass die Praxen mit Fragen zur ePA überflutet werden. Vor allem wurde befürchtet, dass Pflege und Befüllung der ePA zu viel Zeit in Anspruch nehmen werden. Während der Veranstaltung verzeichnete die KV Nordrhein über 350 eingehende Fragen und Anmerkungen per Chat, die nun gemeinsam mit der KBV bearbeitet respektive ans BMG gespiegelt werden.

PVS-Herstellende in der Pflicht

Kommt es also erneut zu einem Alleingang des BMG? Es wäre nicht das erste Mal, dass der Gesetzgeber die Stimmen aus der Praxis ignoriert – mit absehbaren Folgen: „Das ePA-Projekt wird nur mit den Praxen und nicht gegen sie funktionieren“, appellierte der KVNO-Vorstandsvorsitzende, Dr. med. Frank Bergmann, unter Zustimmung von KBV-Vorstandsmitglied Dr. med. Sibylle Steiner in Richtung BMG. Nach den Erfahrungen mit dem E-Rezept sei diesmal eine intensive Testphase vor Einführung unabdingbar.

Diese Forderung bekräftigte der KVNO-Chef gemeinsam mit seinem Stellvertreter, Dr. med. Carsten König, auch bei der Vertreterversammlung der KBV am 1. März 2024. „Zum Start der Opt-out-Regelung muss gewährleistet sein, dass alle PVS-Systeme die Befüllung und die Nutzung der ePA aufwandsarm unterstützen. Das BMG steht hier in der Verantwortung. Sollten die PVS-Systeme nicht in der Lage sein, die Anforderungen zu erfüllen, müssen Nachteile für die Praxen ausgeschlossen sein“, so Bergmann.

Es darf nicht erneut dazu kommen, dass sich insbesondere die Kassen, aber auch das BMG derart aus der notwendigen Informations- und Aufklärungsarbeit für die Versicherten heraushalten – so wie es sich aktuell leider beim E-Rezept zeigt.

 

Dies ist ein Alt-Text Dr. med. Frank Bergmann, KVNO-Vorstandsvorsitzender
Dr. med. Thorsten Hagemann bei seinem Vortrag bei ePA Veranstaltung
© KV Nordrhein
Praxen im Blick: Dr. med. Thorsten Hagemann, neuer KVNO-Leiter eHealth, forderte einen verlässlichen und nutzerfreundlichen ePA-Rollout.

Kein Mehraufwand für die Praxen

Nicht zuletzt brauche es Klarheit und Transparenz zu den Rechten und Pflichten im Umgang mit der ePA. Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit forderten Bergmann und König daher, dass sich keine zeitaufwendigen Prozesse in die Praxen verlagern dürfen. Dafür müssten die Ansprüche der Versicherten im Zusammenhang mit der ePA angesichts rechtlicher Verpflichtungen der Vertragsärzteschaft klargestellt werden. Das gelte für spezifische Konstellationen, etwa bei nicht einwilligungsfähigen Patientinnen und Patienten sowie im Fall von Minderjährigen mit unterschiedlichen Sorgerechtsverantwortlichen. Um hier die Risiken zu minimieren, müsse für den Bewertungsausschuss eine konkretisierende Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden.

Eindringlich warnten Bergmann und König vor einer Situation, in der sich Krankenkassen und Politik aus der Aufklärungsarbeit heraushalten, wie zuletzt beim E-Rezept der Fall. „Die ePA ist eine ‚Patientenakte‘ und muss auch von diesen verantwortet werden. Die Praxen eignen sich nicht als Ort der Information, zumal der Rollout der ePA inmitten der infektreichen Winterzeit stattfinden wird“, so König. Ob die ePA damit tatsächlich die versprochene Revolution wird oder ihr Start in die Tradition bisheriger TI-Rollouts fällt, bleibt abzuwarten. Noch hat das BMG Zeit zu reagieren.

  • Thomas Petersdorff