KVNO aktuell Letzte Änderung: 01.02.2024 15:10 Uhr Lesezeit: 4 Minuten

Pflichtstart E-Rezept: „Die Praxen waren gut vorbereitet“

Eher eine Hauruckaktion denn ein stufenweiser Rollout mit genügend Zeit für Praxen und PVS-Herstellende: Das E-Rezept ist seit 1. Januar 2024 Pflicht.

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© KV Nordrhein

Verschreibungspflichtige Medikamente müssen grundsätzlich digital ausgestellt werden. Doch die Zwangseinführung lief – wider einiger Befürchtungen – erstaunlich reibungslos. Bernhard Acke, Digitalexperte und stellvertretender Leiter der Stabsstelle eHealth bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), gibt Einblicke, wie es bisher läuft, wo noch nachgebessert werden muss und welche Fehler Praxen ganz einfach vermeiden können.

Herr Acke, neues Jahr, neue Probleme? Wie lief der Pflichtstart des E-Rezepts?

Um es mal bildlich zu sagen: Das Gewitter geht an der KV Nordrhein vorbei. Die als E-Rezept ausgestellten Verordnungen sind zu Jahresbeginn noch einmal deutlich in die Höhe geschnellt. Im Vergleich zu Mitte Dezember hat sich die Anzahl der E-Rezepte laut gematik-Statistik vervierfacht. In der dritten Kalenderwoche 2024 wurden bundesweit 8,8 Millionen E-Rezepte eingelöst. Mittlerweile ist jedes zweite Arzneimittelrezept ein E-Rezept. Positiv stimmt mich, dass die gematik seit dem Jahreswechsel keine technischen Probleme gemeldet hat. Die Rückmeldung aus unseren Praxen ist, dass die Server stabil laufen. Die hohe Anzahl von E-Rezepten scheint keine Probleme zu bereiten. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall. Die Sorge, dass die Server in die Knie gehen, war durchaus berechtigt.

Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass die Niedergelassenen in Nordrhein gut vorbereitet waren?

Ja, der Großteil der Praxen hat sich in den vergangenen Monaten auf die Einführung des E-Rezeptes vorbereitet. Die KVNO hat dabei auf vielfältige Weise unterstützt. So haben wir beispielsweise im November eine Informationsveranstaltung zu dem Thema durchgeführt. Das Video ist weiterhin auf Youtube verfügbar und wurde mittlerweile über 9000 Mal abgerufen, täglich kommen neue Abrufe hinzu. Auch unser Mitgliedermagazin KVNO aktuell haben wir genutzt, um über mehrere Ausgaben intensiv über das Thema zu informieren – zuletzt mit einer extra Beilage mit kompakten Infos auf einen Blick in der Dezember-Ausgabe 2023, was gut angenommen wurde. Es gab viel positives Feedback dazu. Es ist für uns natürlich sehr schön, zu sehen, dass wir mit unserer Arbeit den Bedürfnissen der Mitglieder entgegenkommen.

Aber trotzdem läuft nicht alles rund, oder?

Tatsächlich verläuft die Einführung des E-Rezeptes in den Arztpraxen und Apotheken nicht reibungslos. Es ist recht unglücklich, dass der Gesetzgeber die verbindliche Einführung des E-Rezeptes deutschlandweit zum 1. Januar 2024 festgelegt hat. Eine stufenweise Einführung wäre für alle Beteiligten der bessere Weg gewesen. Der bundesweite Rollout hatte zur Folge, dass die Hotlines der IT-Dienstleister kaum noch zu erreichen waren. Da hatten es die Praxen zu Jahresbeginn schwer, kurzfristig Unterstützung zu erhalten.

Was sind die wesentlichen Probleme?
Momentan erhalten wir sehr viele Rückmeldungen, dass Patientinnen und Patienten ihr E-Rezept in der Apotheke einlösen wollen, noch bevor die digitale Verordnung auf dem E-Rezept-Server bereitgestellt ist. Grundsätzlich ist das E-Rezept unmittelbar nach der digitalen Signatur in der Praxis für Apotheken abrufbar. Als Ursache vermuten wir, dass Praxen nicht beim Patientenkontakt signieren und zum Beispiel die Komfortsignatur nicht in ihre Arbeitsabläufe integriert haben. Die E-Rezepte werden infolge dessen erst verspätet elektronisch unterschrieben und somit nicht rechtzeitig bereitgestellt.

Das bedeutet, die Komfortsignatur ist unerlässlich, damit es mit dem E-Rezept reibungslos läuft?

Definitiv. Die Komfortsignatur hat eine Schlüsselfunktion für die Anwendbarkeit in den Praxisabläufen. Wir empfehlen, diese Funktion – jedes PVS kann das technisch – unbedingt zu nutzen. Insbesondere die Sprechstundenrezepte und die persönlich „abgeholten“ Rezepte sollten unmittelbar nach oder besser noch während des Behandlungsprozesses signiert werden. Bis zu 250 Signaturvorgänge können so barrierearm aus einer einmaligen PIN-Eingabe am Kartenterminal durchgeführt werden. Der Zugang zur elektronischen Unterschrift ist dabei von jedem Arztarbeitsplatz möglich und sorgt für einen störungsfreien, aber auch sicheren Versorgungsablauf in der Praxis.

Warum ist die Stapelsignatur fürs E-Rezept grundsätzlich ungeeignet?

Die Funktion der Stapelsignatur sieht vor, bis zu 250 digital zu unterzeichnende Dokumente zunächst auf einem virtuellen Stapel zu sammeln, dann systematisch zu kontrollieren und schließlich mit einer einzigen PIN-Eingabe elektronisch zu signieren. Dies eignet sich nur für Dokumente, die nicht ad-hoc für die Versorgung der Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen müssen, wie elektronische Krankschreibungen und eArztbriefe.

Wo hakt es noch?

Die fachlichen Vorgaben für die Ausstellung von Arzneimittelrezepten haben sich durch die Einführung des E-Rezeptes nicht geändert. Dennoch geht die Umstellung mit vielen Unsicherheiten und Rückfragen seitens aller Beteiligten einher. So haben beispielsweise in den vergangenen Wochen einige Apotheken die Ausstellung des E-Rezeptes verweigert, da sie befürchteten, unklare Berufsbezeichnungen im E-Rezept seien ein Retaxgrund. Von Retax ist die Rede, wenn Krankenkassen Apotheken die Erstattung von Arzneimitteln verweigern, die bereits an Patientinnen und Patienten abgegeben wurden. In einigen Fällen hatten IT-Dienstleistende der Arztpraxen im Freitextfeld lediglich die Fachgruppenbezeichnung hinterlegt. Besser ist es, dort „Arzt/Ärztin für …“ zu vermerken.

  • Das Interview führte Jana Meyer

E-Rezept – Wie geht es weiter?

Grüne (Empfehlungen apothekenpflichtiger Arzneimittel) und blaue Rezepte (Privatverordnungen) können neben der rosa Verordnung ebenfalls bereits als E-Rezept ausgestellt werden, sofern dies von dem Primärsystem in der Arztpraxis unterstützt wird. Die KV Nordrhein hofft, dass Ende 2024 alle Herstellenden von Praxisverwaltungssystemen diese Rezepttypen unterstützen. Eine Umsetzungspflicht gibt es dafür jedoch nicht. Ab 2025 sollen viele weitere Verordnungstypen als digitales Rezept ausgestellt werden können; Kliniken sind dann auch in der Pflicht, E-Rezepte auszustellen. Ab Januar 2025 – dann soll die elektronische Patientenakte (ePA) als nächste Anwendung verpflichtend eingeführt werden – sollen alle E-Rezepte in die „ePA für alle“ übertragen werden und bilden mit dem Medikationsplan die Grundlage für strukturierte Daten in der elektronischen Dokumentation. Die E-Rezept-App der gematik bekommt im kommenden Jahr Konkurrenz: GKV und PKV können entscheiden, ob sie für digitale Verordnungen eine eigene App anbieten oder den E-Rezept-Zugriff via ePA-App umsetzen.

E-Rezept in häuslicher Pflege und in Pflegeheimen: Was geht und was nicht?

Die Einführung des E-Rezeptes betrifft auch die Versorgung von Pflegeheimbewohnenden sowie Patientinnen und Patienten in häuslicher Pflege. Grundsätzlich gilt zunächst: Bei Haus- oder Pflegeheimbesuchen Niedergelassener kann weiterhin das Muster-16-Arzneimittelrezept ausgestellt werden. Der Grund: Bislang gibt es für Arztpraxen noch keine mobilen Arbeitsplätze mit Anschluss an die Telematikinfrastruktur. Teilweise kann aber auch in diesem Rahmen schon digital verordnet werden – und zwar, wenn Folgemedikamente vom Pflegeheim oder Pflegedienst bestellt werden. Wie funktioniert das?

1. Die mit dem Rezeptmanagement beauftragte Pflegekraft fordert das Rezept telefonisch oder elektronisch an.
2. Die MFA bereitet das Rezept vor und stellt es in der Übersichtsliste des Praxisverwaltungssystems bereit. Ärztinnen und Ärzte prüfen die Verordnung und signieren das E-Rezept mit der Komfortsignatur.
3. Die Heimvertretenden, welche die eGK der Patientinnen und Patienten vorliegen haben, lösen das Rezept mittels Gesundheitskarte in der Apotheke ein. Alternativ kann der Ausdruck mit dem Barcode in der Arztpraxis abgeholt werden, oder die MFA übermittelt den Ausdruck elektronisch auf einem sicheren Übertragungsweg (zum Beispiel über KIM) an das Pflegeheim.
4. Das Pflegeheim leitet E-Rezepte an die heimbeliefernde Apotheke (zum Beispiel via KIM) weiter.

Alternativ zu Schritt 3 und 4 kann die Praxis das E-Rezept auch direkt über einen sicheren Weg (KIM-E-Mail) an die Partnerapotheke des Pflegeheims/Pflegedienstes übermitteln. Voraussetzung ist eine von Patientinnen und Patienten oder von dessen gesetzlich Vertretenden unterschriebene Patienteneinwilligung zur Übermittlung von Rezepten und Verordnungen. Eine Vorlage für eine solche Einwilligung finden Sie hier.

Tipps zur Patientenkommunikation

Es sorgt für reibungslosere Praxisabläufe und mehr Zufriedenheit seitens der Patientinnen und Patienten, wenn Sie als Ärztinnen und Ärzte gut informieren. Die Leute müssen wissen, ab welchem Zeitpunkt ihr (vorbestelltes) E-Rezept
in der Apotheke einlösbar ist. Hierzu können Hinweise über die telefonische Warteschleife, die Homepage sowie per Aushang in der Praxis adressiert werden – oder Ihre Mitarbeitenden informieren darüber am Empfangstresen, bevor Patientinnen und Patienten die Praxis verlassen.

Tipps zur Apothekenkommunikation

Sprechen Sie sich mit Ihren Apotheken ab. Das erspart Ihnen als Ärztinnen und Ärzten sowie Ihren Patientinnen und Patienten unnötige Nachfragen und Diskussionen. So kann es durchaus vorkommen, dass es im Praxisverwaltungssystem bei der Ausstellung von E-Rezepten zu Fehlern kommt, die erst in der Apotheke auffallen, zum Beispiel bei Freitextverordnungen. Manchmal gibt es auch Probleme bei der EDV der Apotheken. Haben Sie sich vorab auf ein Prozedere verständigt, wie in welchen Fällen verfahren werden soll, profitieren alle Beteiligten. Der große Vorteil des E-Rezeptes: Ein vorhandenes E-Rezept kann bei Problemen storniert und neu ausgestellt werden, ohne dass Patientinnen und Patienten wieder in die Praxis zurückkommen müssen.