KVNO aktuell Letzte Änderung: 09.11.2023 00:00 Uhr Lesezeit: 3 Minuten

KOSA-Talk: Psychotherapie trifft Selbsthilfe

Im Online-Gespräch diskutierten Fachleute und Betroffene über die Versorgungssituation psychisch erkrankter Menschen – und welche Rolle die Selbsthilfe dabei spielen kann.

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© KV Nordrhein
Diskutierten darüber, wie psychisch Kranke gut versorgt werden können (v. l.): Kendra Zwickler, Fachberaterin Selbsthilfe-Kontaktstelle Duisburg, Dietmar Reinberger, Selbsthilfegruppe „Wege aus der Depression“ Duisburg, Stephanie Theiß,Leiterin KOSA, Dr. med. Norbert J. Hartkamp, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Martin Zange, Psychologischer Psychotherapeut.

Die Zahl psychisch erkrankter Menschen steigt, die Wartezeiten auf einen Therapieplatz sind oft lang. Deswegen veranstaltete die Kooperationsberatung für Selbsthilfe, Ärzte und Psychotherapeuten (KOSA) der KV Nordrhein einen Online-Talk zu diesem Thema. Mehr als 250 Zuschauerinnen und Zuschauer loggten sich in das Gespräch ein – sowohl Fachleute als auch Betroffene – und stellten viele Fragen.

„Wenn sich vier beliebige Menschen treffen, ist es sehr wahrscheinlich, dass einer davon an einer psychischen Erkrankung leidet“, erklärte Dietmar Reinberger von der Duisburger Selbsthilfegruppe „Wege aus der Depression“. Er selbst hat Depressionen und eine Suchterkrankung. Mit zwei Diagnosen sei er eher die Regel als die Ausnahme. „Die meisten, die sich an unsere Selbsthilfegruppe wenden, haben mehrere Diagnosen“, hat er festgestellt. Reinberger engagiert sich seit vielen Jahren in der Selbsthilfe und redet inzwischen auch in der Öffentlichkeit offen über seine Erfahrungen.

Dem Vorurteil, dass sich in den Gruppen nur jammernde Trauerklöße treffen, tritt er entschieden entgegen: „Lachen und Humor spielen bei uns eine große Rolle. Mich hat die Selbsthilfe am Ball gehalten.“ In seiner Gruppe sind viele, die derzeit auf einen Therapieplatz warten. Die Gespräche können helfen, die Zeit bis zur professionellen Hilfe besser zu überbrücken.
Auch Martin Zange, Psychologischer Psychotherapeut aus Krefeld, sieht in der Selbsthilfe zwar keinen Ersatz, aber eine gute Ergänzung zu den Therapien: „Suchtbetroffenen empfehle ich, die Gruppen parallel zur Therapie zu besuchen. Für andere eignen sie sich, um nach der Therapie nicht in ein Loch zu fallen.“ Manche Patientinnen und Patienten begleitet er wenige Monate, bei anderen laufen die Therapien über Jahre – je nach individueller Situation und Erkrankung. Die Warteliste sei auch bei ihm lang.

Zanges Kollege Dr. med. Norbert J. Hartkamp, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Solingen, warb als Maßnahme gegen lange Wartezeiten für Gruppentherapien: „Für viele Betroffene sind Gruppentherapien sehr hilfreich. Wenn mehr Praxen Gruppentherapien für Menschen mit bestimmten psychischen Erkrankungen anbieten würden, könnten sie mehr Plätze vorhalten.“ Hartkamp selbst behandelt gern in Gruppen, in denen vor allem Menschen mit schwierigen Beziehungserfahrungen im geschützten Rahmen wieder lernen, Kontakte aufzubauen, und dies als positiv erleben.

Gemeinsamkeit tut gut

Wie wichtig diese Kontakte sind, erlebt auch Kendra Zwickler, Fachberaterin der Selbsthilfe-Kontaktstelle Duisburg, in ihrem Arbeitsalltag. „In einer Gruppe hatte eine Teilnehmerin panische Angst vor Spinnen, ein anderer konnte sich nicht in Warteschlangen mit vielen Menschen anstellen. Die beiden haben sich verabredet, um sich in der jeweiligen Angst-Situation zu unterstützen – zumal jeder die Angst des anderen gut nachvollziehen konnte.“ Die Selbsthilfekontaktstellen, die es in fast jeder größeren Stadt gibt, helfen nicht nur bei der Suche nach der passenden Gruppe, sondern unterstützen bei Bedarf auch Neugründungen.

Die Teilnehmenden des Online-Talks, der von KOSA-Leiterin Stephanie Theiß moderiert wurde, diskutierten darüber, wie man das teils verstaubte Image der Selbsthilfegruppen verbessern könnte. Einige Gruppen hätten bereits ihre Namen geändert, von „Selbsthilfe“ zum Beispiel zu „Netzwerk“, um Vorurteile zu reduzieren. Doch egal wie der Name lautet und um welche Erkrankungen es geht: Jede Gruppe gestaltet ihre Treffen ganz individuell. Kennenlernen und ausprobieren, ob die Gruppe einem selbst etwas bringt, ist das Wichtigste.
Allen, die auf einen Therapieplatz warten, rät Nini Preiß, Teamleiterin der Terminservicestelle der KV Nordrhein, sich auch an die 116 117 zu wenden. Erste Sprechstunden könnten dort meist zeitnah vermittelt werden, für probatorische Sitzungen werden aber der Servicestelle leider nur wenige Termine gemeldet. „Dennoch steigen die Chancen auf einen Therapieplatz, wenn man doppelgleisig fährt: mit der eigenen Suche und über uns.“

Martin Zange wünscht sich, dass das Thema psychische Erkrankungen grundsätzlich noch mehr in die Öffentlichkeit rückt und auch entsprechend finanziert wird: „Eigentlich müssten wir bereits in den Schulen das Thema psychische Gesundheit vermitteln.“

  • Ina Armbruster

KSVPsych

Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen können in das neue Versorgungsprogramm nach der Richtlinie „KSVPsych“ aufgenommen werden. Dabei arbeiten Psychotherapeutinnen und -therapeuten mit Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen eng vernetzt zusammen, ebenso mit Kliniken und anderen Einrichtungen.
Weitere Informationen unter kvno.de/genehmigungen/ksv-psych

Selbsthilfekontaktstellen oder Selbsthilfegruppen in der Nähe finden Sie unter selbsthilfenetz.de.

Kontakte vermittelt auch die KOSA der KV Nordrhein.

Kontakt

Stephanie Theiß

KOSA Abteilungsleiterin

Telefon +49 211 5970 8091
E-Mail kosa@kvno.de

Anke Petz

KOSA

Telefon +49 211 5970 8090
E-Mail kosa@kvno.de

Bianca Wolter

KOSA

Telefon +49 211 5970 8092
E-Mail kosa@kvno.de