Praxisinformation Letzte Änderung: 27.10.2023 12:30 Uhr Lesezeit: 4 Minuten

BSG-Urteil: Pool-Arzt im vertrags(zahn)ärztlichen Notdienst nicht automatisch selbstständig

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 24. Oktober 2023 zur Frage der Sozialversicherungspflicht im (zahn)ärztlichen Bereitschaftsdienst ein Urteil gesprochen.

Zur Klage eines Zahnarztes ohne Zulassung, der als sogenannter „Poolarzt“ im Notfalldienst der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg tätig ist, entschied das Gericht, dass diese Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Laut BSG führt allein die Teilnahme am vertragszahnärztlichen Notdienst nicht automatisch zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Wegen der Eingliederung in die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung organisierten Abläufe sei der klagende Zahnarzt abhängig beschäftigt. Allein die freie und eigenverantwortliche zahnärztliche Tätigkeit rechtfertige keine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts.

Was dieses Urteil nun für den Bereitschaftsdienst in der KV Nordrhein bedeutet, ist noch Gegenstand weiterer juristischer Bewertungen. Die Notdienstordnungen der KVen unterscheiden sich zum Teil in wesentlichen Aspekten. Die KV Nordrhein hält selbst keinen eigenen Pool von Vertretungsärztinnen-/ärzten vor. Der Vorstand der KV Nordrhein erklärte dazu gestern in einem öffentlichen Statement: „Zurzeit erfasst das Urteil zwar grundsätzlich nicht die in Nordrhein bestehende Form des Notdienstes. Das bei uns verbreitete Vertreterwesen könnte in bestimmten Fällen allerdings als sozialversicherungspflichtig eingestuft werden. Eine abschließende Prüfung wird erst dann möglich sein, wenn die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen – dies kann bis zu drei Monate dauern. Wir werden diese Zeit nutzen, um uns hierzu unter anderem mit NRW-Gesundheitsminister Laumann auszutauschen, den wir um ein zeitnahes Gespräch gebeten haben.“

Gefahr für die Zukunft des Bereitschaftsdienstes in jetziger Form

Die beiden Vorstände der KV Nordrhein, Dr. med. Frank Bergmann und Dr. med. Carsten König, bemerkten in einer ersten Bewertung des BSG-Urteils aber auch, dass der ambulante Notdienst nun finanziell neu gedacht werden müsse. Die gegenwärtigen Strukturen seien nicht mehr aufrechtzuerhalten, wenn die Tätigkeit von Medizinern, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, in den Notdienstpraxen als sozialversicherungspflichtig eingestuft würden. „Dies wird auch Nordrhein betreffen, weil die Vertragsärztinnen und -ärzte sich zu einem Großteil in ihren Diensten vertreten lassen. Für sie besteht nun das rechtliche Risiko, dass das Verhältnis zwischen ihnen und ihren Vertretern künftig ebenfalls als sozialversicherungspflichtig eingestuft wird. Dies würde für die Betroffenen deutlich höhere Kosten und einen ebenfalls deutlich höheren bürokratischen Aufwand bedeuten.“

Dringend Vorhaltefinanzierung notwendig

Der KVNO-Vorstand fordert eine zeitnahe Lösung seitens des Gesetzgebers und verlangt die Gleichbehandlung der Bereitschaftsdienstärzte mit den Ärztinnen und Ärzten im Rettungsdienst, die von der Sozialversicherungspflicht befreit sind. „Was wir außerdem dringend benötigen, ist eine höhere und extrabudgetäre Vergütung des ambulanten Notdienstes über den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM). Ein weiterer Punkt kann nicht oft genug betont werden: Es muss zwingend – wie auch für den stationären Bereich – eine Vorhaltefinanzierung für die ambulante Notfallversorgung geben, um künftig die Notdienstpraxen selbst, aber auch die Gehälter für Medizinische Fachangestellte und Bereitschaftsärzte bezahlen zu können. Dieser Schritt ist alternativlos, um den ambulanten Notdienst dauerhaft aufrechtzuerhalten.“

Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BAMS) will nun erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung des BSG abwarten und dann „Bedeutung und Reichweite“ prüfen, wie es gestern mitteilte. Das BAMS kündigte weiter an, gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium den „Dialog mit den Ärzteverbänden unter Berücksichtigung der BSG-Entscheidung zeitnah fortzusetzen“. Wir werden Sie zu diesem Thema auf dem Laufenden halten. Das vollständige Statement des KVNO-Vorstands finden Sie hier:

KVNO: Nach BSG-Urteil muss ambulanter Notdienst finanziell neu gedacht werden