Impfung Notdienst Covid19 Letzte Änderung: 12.09.2023 15:41 Uhr Lesezeit: 5 Minuten

Pressebriefing vom 12.09.2023

Themen: Aktion "Praxiskollaps" / Aktuelles Infektionsgeschehen / Neuauflage der Videosprechstunde im kinderärztlichen Notdienst

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Aktion „Praxiskollaps“ der niedergelassenen Vertragsärzteschaft

In Berlin waren am 18. August insgesamt 800 Funktionsträger, darunter rund 50 Vertreterinnen und Vertreter der KV Nordrhein, zusammengekommen, um im Rahmen einer großen Krisensitzung des KV-Systems mit Nachdruck ein öffentliches Zeichen gegen die derzeitige Schieflage in der ambulanten Versorgung zu setzen.

Dazu der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Dr. med. Frank Bergmann:

Das Jahr 2023 ist ein entscheidendes für die niedergelassene Vertragsärzteschaft und ihre Praxisteams! Wenn sich jetzt nicht schlagartig etwas ändert, wird der sich abzeichnende Praxenkollaps nicht mehr aufzuhalten sein. Es ist sprichwörtlich 5 vor 12, sagte Bergmann. Viele Versprechen hat die Bundespolitik gemacht – nicht eines wurde bisher gehalten. Noch immer haben wir keine Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich, noch immer keine funktionale und ausreichend erprobte Technik bei der Digitalisierung, noch immer nicht den versprochenen Abbau der Bürokratie. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen ...

Was dagegen bleibt, das sind steigende Anforderungen und Sanktionen gegen die Praxen – ob nun bei der Befüllung der ePA, die ja bald qua Optout in der Fläche zum Einsatz kommen soll, oder in Form von unnötigen Regressen. All das sind Faktoren, die den Praxen stark zusetzen und ihnen vor allem auch Zeit stehlen, die eigentlich dringend für die Patientinnen und Patienten gebraucht wird.

Am schwersten wiegt aber die seit Jahren herrschende Unterfinanzierung der Praxen, die nicht wenige Kolleginnen und Kollegen mittlerweile vor existenzielle Probleme stellt. Bei einer Inflationsrate von derzeit 6,1 Prozent (Stand: Ende August) reichen die den Praxen zur Verfügung stehenden Mittel heute nicht einmal mehr zum Ausgleich der Personalkosten.Von anderweitigen Zuschüssen für die Vertragsärzteschaft , wie es bei den Krankenhäusern gang und gäbe ist, fehlt nach wie vor jede Spur. Stattdessen hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach offenkundig andere Pläne: Statt auf die bewährten Strukturen der ambulanten Versorgung einzuzahlen, sollen mit Gesundheitskiosken und -regionen sowie Primärversorgungszentren noch weitere Versorgungskonzepte – man kann auch sagen „Parallelstrukturen“ – aufgebaut werden.

Spätestens hier merkt man: Diese Rechnung kann aber nicht aufgehen, geschweige denn auf Dauer gut gehen. Was wir brauchen, sind keine Parallelstrukturen
zusätzlich zu schon vorhandenen – weit wichtiger wäre es, dass sich die relevanten Akteure viel enger vernetzen und stärker miteinander kooperieren! Dafür muss aber erstmal der Rahmen geschaffen werden. Herrn Lauterbach scheint noch immer nicht klar geworden zu sein, dass er mit seinem Handeln die ambulante Versorgung von Millionen Menschen aufs Spiel setzt. Die Praxen stehen vor dem Kollaps – daran haben wir ihn in Berlin nachdrücklich erinnert und gemeinsam einen Forderungskatalog mitsamt Lösungsvorschlägen aufgestellt.

Klar ist: Trotz der unhaltbaren Rahmenbedingungen bieten wir mit unserer ambulanten flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung einen weltweit einmaligen Service für Patientinnen und Patienten an. Damit diese Versorgung auch in Zukunft ohne Einschränkungen aufrechterhalten werden kann, müssen jetzt dringend unsere Forderungen gehört und umgesetzt werden. Ansonsten holen sich die politisch Verantwortlichen Probleme ins Haus, die ihnen ohne jeden Zweifel über den Kopf wachsen werden – und das auf Kosten der Menschen, die in diesem Land leben. Am Ende soll niemand sagen, wir hätten nicht davor gewarnt. Wir wollen es aber nicht beim Warnen belassen … Bis Morgen hat Herr Minister Lauterbach Zeit, Stellung zu unseren Vorschlägen zu beziehen – und dass nicht über „Twitter“ oder „X“. Wir erwarten konkrete und faire Vorschläge!

Die sieben Forderungen des KV-Systems

Aktuelles Infektionsgeschehen und Ausblick auf die kommende Grippesaison

Dazu der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Dr. med. Frank Bergmann und sein Stellvertreter, Dr. med. Carsten König:

Das Jahr 2023 geht ins letzte Drittel und die Zahl der Erkältungen nimmt wieder leicht zu. Zuletzt sind auch die Infektionen mit dem Coronavirus im Land wieder leicht angestiegen.

Dr. med. Frank Bergmann: Aus gut drei Jahren Pandemie wissen wir: Infektionen sind ein dynamisches Geschehen, das schnell in die eine oder andere Richtung ausschlagen kann – und auch wir haben keine Glaskugel zur Hand. Blickt man aber auf die derzeitige Gemengelage, sieht man eine gewisse Beruhigung: Nach dem doch recht turbulenten Winter 2022/23 mit überdurchschnittlich vielen Atemwegserkrankungen – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen –, blieb die epidemiologische Lage seither vergleichsweise stabil. Das kann man sicher einem gewissen Nachholeffekt des Immunsystems zuschreiben, das nach den restriktiven Maßnahmen während der Corona-Pandemie (Stichwort:  Lockdowns) erst einmal wieder den regelmäßigen Umgang mit Krankheitserregern „lernen“ musste.

Heute können wir sagen: Das „immunologische Trainingslager 2022“ war erfolgreich. Dennoch werden wir uns wohl dauerhaft auf die Situation einstellen müssen, dass wir es künftig nicht nur mit Influenza und RSV, sondern auch mit SARS-CoV-2 im Winter aufnehmen müssen. Aktuell ist die Lage aber wenig alarmierend: Laut Information des RKI befinden wir uns bei der Infektionslage aktuell auf „niedrigem Sommerniveau“ – auch wenn die Aktivität akuter Atemwegserkrankungen früher ansteigt als in den Vorjahren.

Beunruhigen muss uns das derzeit allerdings nicht. Auch mit Blick auf die zwischenzeitlich wieder leicht angestiegenen Corona-Zahlen befinden wir uns derzeit noch weit unter dem Durchschnitt des Vorjahres. Zum Vergleich: Damals lagen wir in NRW noch bei deutlich über 10.000 Neuinfizierten innerhalb von sieben Tagen. Gleichwohl werden wir die weitere Entwicklung genauestens beobachten, zumal gerade drei Varianten, davon zwei Omikron-Abkömmlinge, vermehrt umgehen.

Von Interesse dürfte bei uns wohl vor allem „EG.5“, auch „Eris“ genannt, sein. Nach Schätzung der WHO könnte sich der Subtyp perspektivisch durchsetzen und weltweit dominant werden. Grund zur Sorge bereitet „Eris“ prinzipiell dennoch aber nicht. Wie die WHO mitgeteilt hat, spielt Eris auf der bekannten Klaviatur der Corona-Symptome: Auch hier haben wir es mit Kopf- und Muskelschmerzen, Müdigkeit, Husten, Schüttelfrost und Fieber zu tun; mitunter – vor allem in der Frühphase – können Geschmacks- und Geruchsverlust auftreten. Aber auch das ist ja hinlänglich bekannt. Eine größere Krankheitsschwere konnte bislang indessen nicht festgestellt werden.Trotzdem wird es mit Blick auf die kommenden Monate entscheidend sein, sich weiterhin ausreichend zu schützen.

Und damit kommen wir zu einem ganz zentralen Punkt: Zwar ist die Grundimmunität bei uns sehr gut – dies nicht zuletzt auch dank des enormen Engagements der Praxen –, doch dürfen wir jetzt auf keinen Fall nachlässig werden. Die sich gerade abzeichnende Impfmüdigkeit geht jedoch in die komplett falsche Richtung und könnte uns diesen Winter teuer zu stehen kommen. Ob bei SARS-CoV-2, Influenza oder RSV – mein dringlicher Appell vor allem an chronisch Kranke und Seniorinnen und Senioren an dieser Stelle lautet: Bitte nehmen Sie das Risiko weiterhin ernst, suchen Sie ihre Haus- oder Facharztpraxis auf und lassen Sie sich bei entsprechender Indikation impfen.

Dr. med. Carsten König zur Situation in den rheinischen Praxen:

Auch wenn das Patientenaufkommen insb. in den hausärztlichen Praxen langsam anzieht, bewegt sich das Pensum aktuell im Normalbereich. Allerdings merken auch wir Hausärzte einen schleichenden Rückgang bei den Impfungen. Das kann so nicht bleiben, wenn wir gut durchs Jahr kommen wollen. Dabei wäre die Ausgangslage grundsätzlich gut: Bei den verfügbaren Vakzinen ist derzeit einiges in Bewegung. Noch vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission etwa den Impfstoff „Abrysvo“ von Pfizer zugelassen. Damit haben wir erstmals ein Vakzin gegen RSV zur Hand, das auch Kleinkinder ab der Geburt schützen soll.

Es gilt das Prinzip der maternalen Impfung – der Wirkstoff wird also bereits während der Schwangerschaft verabreicht, sodass die gebildeten Antikörper gegen den Erreger an das Kind weitergegeben werden. Auch für ältere Erwachsene (ab 60 Jahren) steht neben Abrysvo mit „Arexvy“ von GSK ein aussichtsreicher Impfstoff gegen RSV zur Verfügung, der inzwischen auch bei uns erhältlich ist. Diese aktuellen Zulassungen zeigen, dass im Impfstoffmarkt Bewegung ist, auch wenn die Impfstoffe erst nach einer Empfehlung durch die STIKO voraussichtlich im nächsten Jahr als GKV-Leistung zur Verfügung stehen werden.

Kommen wir schließlich zu den Corona-Impfstoffen, wo sich die Lage den aktuellen Virusvarianten angepasst hat: Biontech/Pfizer, Moderna und Novavax werden rechtzeitig zum Start in die kommende Saison angepasste Impfstoffe auf den Markt bringen, die sich an der Virusvariante XBB.1.5 orientieren. Im Fall von Biontech/Pfizer hat die EU-Arzneimittelbehörde EMA noch vor zwei Wochen grünes Licht für eine Zulassung gegeben. Auch bei uns ist der Impfstoff inzwischen nach bekanntem Verfahren für Arztpraxen bestellbar, eine erste Auslieferung soll kommende Woche, am 18. September, erfolgen.

Die angepassten Impfstoffe von Moderna und Novavax sind noch nicht zugelassen. Derzeit bestehen nur Lieferverträge mit dem Bund zum angepassten Impfstoff von BionTech/ Pfizer. Damit dürfte zweifelhaft sein, ob beispielsweise der angepasste Impfstoff von Moderna bei uns künftig zum Einsatz kommen wird. Kritisch sind aus Sicht der Praxen auch die bestellbaren Impfmengen: Statt der von uns nachdrücklich geforderten Einzeldosen wird es bei Großpackungen bzw. Vials bleiben. Dass das BMG bei Großpackungen geblieben ist, ist absolut unverständlich, zumal die Niedergelassenen mehrfach auf die großen Schwierigkeiten im Umgang mit Mehrfach-Vials hingewiesen haben. Für die Praxen sind diese nämlich nicht nur mit großem Termin- und Koordinierungsaufwand verbunden, auch ist die Nachfrage heute nicht mehr so hoch, sodass der Verfall und Verwurf nicht genutzter Chargen billigend in Kauf genommen wird.

Letztlich haben wir es somit wieder mit einer Gemengelage zu tun, bei der die Praxen nicht zusammen mit der Politik, sondern wieder im Alleingang die Infekt-Welle stemmen müssen. Das ist frustrierend, ändert aber grundsätzlich nichts an der Tatsache, dass wir trotzdem für unsere Patientinnen und Patienten da sein werden und auch mit Blick auf die kommenden Monate unsere Zuversicht behalten.

Weitere Statistiken zum Infektionsgeschehen finden Sie in der unten stehenden PDF-Datei.

Neuauflage der Videosprechstunde im kinderärztlichen Notdienst 2023/2024

Dazu der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Dr. med. Frank Bergmann:

Als im Winter 2022 eine starke Infektwelle vor allem unter Kindern und Jugendlichen einen plötzlichen Run auf die Praxen ausgelöst hat, wurde auf Initiative der KV Nordrhein kurzfristig ein telemedizinisches Zusatzangebot im pädiatrischen Notdienst eingerichtet. Im Rahmen der Videosprechstunde konnten Eltern erkrankter Kinder schnell und unkompliziert medizinische Expertise in Anspruch nehmen – und dies außerhalb derregulären Sprechstundenzeiten sowie an den Feiertagen. Nicht nur für die Eltern, denen teils unnötige Anfahrtswege erspart wurden, sondern auch für die Praxen und den ärztlichen Bereitschaftsdienst bedeutete das Angebot eine ganz erhebliche Entlastung. Zum Dezember 2023 wird das Angebot erneut aufgelegt.

Das Feedback, das uns über den Jahreswechsel 2022/2023 erreicht hat, war überwältigend und hat früh den Plan in uns reifen lassen, das Angebot zu verstetigen. Insgesamt wurden seinerzeit in einem Zeitraum von rund sieben Wochen mehr als 2300 Videosprechstunden durchgeführt, die meisten von ihnen an Heiligabend und den beiden Weihnachtstagen. Fast der Hälfte der anrufenden Eltern konnte bereits im Rahmen der Online-Beratung abschließend geholfen werden, sodass im Anschluss keine Notdienstpraxis zur weiteren Behandlung aufgesucht werden musste.

Das ist ganz erstaunlich und zeigt, dass die Videosprechstunde eine wichtige Filterfunktion erfüllt, um die Kolleginnen und Kollegen in ihren Praxen zu unterstützen. Nicht zuletzt bei hohen Belastungsspitzen wie zum Beispiel im letzten Winter kann so ein Patientenstau mit extrem langen Wartezeiten frühzeitig verhindert werden. Auch für die hilfesuchenden Eltern liegen die Vorteile auf der Hand – gerade bei möglichen Unsicherheiten und vor dem Besuch einer Notdienstpraxis, was ja nicht selten einen längeren Anfahrtsweg mit sich bringt.

Start der neuen kinderärztlichen Videosprechstunde ist der 1. Dezember mit einer Laufzeit bis zum 31. Januar 2024. Im Gegensatz zum letzten Jahr wird das Angebot diesmal noch deutlich ausgeweitet: War die Anmeldungzur Videosprechstunde vormals unter einer eigenen Rufnummer erreichbar, wird künftig auf die Nutzung der bewährten Strukturen der 116 117 zurückgegriffen. Das hat den Vorteil, dass wir eine Nummer haben, einen einheitlichen Kontaktpunkt, der zudem in der Bevölkerung gut bekannt ist. Zur 116 117 gehört auch ein medizinisches Ersteinschätzungsverfahren, das eine Triagierung schon im Vorfeld erlaubt. So kann gewährleistet werden, dass die anrufenden Patientinnen und Patienten sofort in die richtige Behandlungsschiene kommen – sei es in der Notdienstpraxis, in der Videosprechstunde, zu einem späteren Zeitpunkt in einer vertragsärztlichen Praxis oder einfach nur im Bett zum Auskurieren.

Um die Wartedauer in den Stoßzeiten zu verringern, wird es darüber hinaus auch die Möglichkeit zur Terminvereinbarung geben. Bestehende Ressourcen werden so besser genutzt, niemand hängt unnötig und über Gebühr in der Warteschleife fest.

In Summe haben wir die Ansprüche an unsere Serviceleistungen also nochmals deutlich hochgeschraubt; und ich bin mir sicher, dass unser Angebot der Videosprechstunde im pädiatrischen Notdienst auch in der nun anstehenden Grippesaison wesentlich dazu beitragen wird, alle Seiten zu entlasten: Eltern, Niedergelassene, Ärztinnen und Ärzte im Bereitschaftsdienst und natürlich auch die zentralen Notaufnahmen in den Krankenhäusern.

Kontakt

Christopher Schneider

KV Nordrhein
stellv. Pressesprecher

Telefon +49 211 5970 8280
E-Mail presse@kvno.de

Thomas Petersdorff

KV Nordrhein
Pressereferent

Telefon +49 211 5970 8109
E-Mail presse@kvno.de