Service KVNO aktuell Letzte Änderung: 23.09.2024 00:00 Uhr Lesezeit: 3 Minuten
Versorgungsforschung: Wie wird das ambulante System fit für die Zukunft?
Das ambulante Gesundheitssystem steht vor einer Reihe großer Herausforderungen. Niedergelassene möchten auch künftig gut versorgen, Patientinnen und Patienten bestmöglich behandelt werden. Doch wie kann das gelingen?
Ein Ansatz sind Versorgungsprojekte, die innovative Konzepte erproben. Aktuell ist die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) an zwölf dieser Projekte beteiligt. Ein eigenes Projekt steht in den Startlöchern: Physician Assistants (PA). Welche Chance der Berufszweig PA für Praxen bieten könnte, beleuchtet die KVNO am 21. Oktober 2024 zum Auftakt in einer Veranstaltung.
Demografische Alterung, Fachkräftemangel und große Aufgaben im Bereich Digitalisierung – der Druck auf den ambulanten Sektor erhöht sich sukzessive. Es bedarf nachhaltiger Lösungen für diese immensen Aufgaben. Doch wie können wir die Versorgung fit für die Zukunft machen? „Indem wir innovative Ideen ausprobieren und schauen, ob sie erstens praxistauglich sind und zweitens auch in der Fläche funktionieren, also ein neuer Baustein der Regelversorgung werden können“, sagt Dr. Johannes Pollmanns, Senior-Referent im KVNO-Bereich Gesundheitspolitik und strategische Sicherstellung. Dafür setzt die KVNO unter anderem auf sogenannte Versorgungsprojekte – und baut auf die Unterstützung der nordrheinischen Niedergelassenen.
Aktuell beteiligt sich die KV Nordrhein an zwölf Projekten, 17 sind abgeschlossen oder im Abschluss befindlich, weitere Versorgungsprojekte befinden sich im Antragsverfahren beim Innovationsfonds. Der beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) angesiedelte Innovationsfonds fördert aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung besonders aussichtsreiche Projektideen. Ein großer Teil der Versorgungsprojekte in Nordrhein wird über dieses Instrument finanziert. „Ziel aller Projekte ist, die Versorgungsqualität zu steigern sowie Über-, Unter- und Fehlversorgung zu minimieren“, erklärt Pollmanns. Unter eigener Führung eines Projektkonsortiums hat die KV Nordrhein bereits das erfolgreiche Projekt NPPV umgesetzt. Zentrale Bestandteile davon sind im Oktober 2022 in einer Richtlinie (KSVPsych-RL) des G-BA aufgegangen. Mithilfe des Programms sollen schwer psychisch Kranke berufsübergreifend, koordiniert und strukturiert versorgt werden. Nicht selten sind aber auch andere Partner Impulsgeber einer Projektidee, bei welcher die KV Nordrhein um Teilnahme gebeten wird.
Nächstes großes KVNO-Projekt startet
Doch ohne den wichtigsten Partner bei der Umsetzung der Versorgungsprojekte geht es nicht: die Praxen. „Umso mehr unserer Mitglieder bereit sind, Neues auszuprobieren, desto besser kann es uns gelingen, gemeinsam gute Wege in Richtung zukunftsfähiger ambulanter Strukturen zu finden“, sagt Pollmanns. Er hat bereits viele Versorgungsprojekte als Projektleiter begleitet und weiß: „Ohne Investitionen von allen Seiten geht es nicht. Das heißt aber auch, dass die Aufwände unserer Mitglieder angemessen vergütet werden müssen.“ Bald geht die KV Nordrhein erneut mit einem eigenen großen Projekt an den Start: Physician Assistants (detaillierte Infos in der nächsten KVNO aktuell 10).
Die medizinische Assistenztätigkeit ist seit vielen Jahrzehnten vor allem in den USA und weiteren angloamerikanischen Ländern etabliert, seit etwa 20 Jahren auch in den Niederlanden. PAs sind aufgrund ihrer hochschulischen Ausbildung in der Lage, Ärztinnen und Ärzte in verschiedenen Tätigkeitsbereichen flexibel immer dann zu entlasten, wenn es sich nicht um eigens ärztlich zu erbringende Leistungen handelt. Sie können bei der Behandlung mitwirken, komplexe Dokumentations- sowie Managementprozesse begleiten und diese im Auftrag der ärztlichen Leitung auch mitentwickeln. „Wir glauben, dass PAs eine große Chance zur Entlastung unserer Ärztinnen und Ärzte in den Praxen sein können“, sagt Melina Haack, Referentin im Bereich Gesundheitspolitik und strategische Sicherstellung der KVNO sowie Projektleiterin.
Doch wie gelingt der Einsatz von PAs, um Praxen zu entlasten? Welche Rahmenbedingungen müssen dafür geschaffen werden? Diesen Fragen will die KV Nordrhein in der Veranstaltung „Zukunft gestalten: Physician Assistants in der ambulanten Praxis“ nachgehen. Zu Gast ist unter anderem Dr. med. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. „Uns ist wichtig, das Thema mit verschiedenen Fachleuten zu diskutieren und aus möglichst vielen Blickwinkeln zu betrachten“, betont Haack.
Weniger Rehospitalisierung mit eliPfad
Ein Projekt mit KVNO-Beteiligung, das aktuell umgesetzt wird, ist eliPfad, („Personalisierter, interdisziplinärer Patientenpfad zur sektorenübergreifenden Versorgung multimorbider Patientinnen und Patienten“). Das Innovationsfondsprojekt möchte Wege aufzeigen, wie ältere multimorbide Menschen nach einem Krankenhausaufenthalt seltener akut rehospitalisiert werden. „Wir wollen den sogenannten Drehtüreffekt in der Versorgung verhindern“, erläutert Johannes Pollmanns (siehe Interview).
PSY-KOMO erfolgreich abgeschlossen
Ein weiteres Projekt mit KVNO-Beteiligung wurde Ende 2023 erfolgreich abgeschlossen: PSY-KOMO. Ziel: die Behandlungsqualität für Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung zu verbessern, indem der Zugang zur Versorgung ihrer körperlichen Begleiterkrankungen erleichtert wird. Diese Erkrankungen sollen somit früher entdeckt und besser behandelt werden. Neben Frankfurt am Main, Göppingen und Greifswald war Neuss Modellregion im Rheinland.
Neben speziellen Schulungen der beteiligten Psychiaterinnen und Psychiater war ein zentrales Element von PSY-KOMO, dass Gesundheitsbegleitende die Patientinnen und Patienten niederschwellig bei ihren Anliegen rund um ihre körperliche Gesundheit unterstützten. Über 1800 Betroffene haben am Programm teilgenommen, 129 Psychiaterinnen und Psychiater ließen sich zertifizieren und meldeten ihre Patientinnen sowie Patienten für PSY-KOMO an.
Der KVNO-Bereich Gesundheitspolitik und Sicherstellung entwickelt nicht nur neue Projekte und begleitet bestehende. Das Expertenteam ist auch regelmäßig bei Netzwerktreffen wie dem Deutschen Kongress für Versorgungsforschung präsent, um sich mit den anderen KVen und weiteren Fachleuten auszutauschen. Ständig auf der Suche nach alternativen Konzepten. An Ideen für eine zukunftsfähige Patientenversorgung mangelt es nicht. Im Gegenteil. Viele Ansätze machen Hoffnung auf gute neue Wege im ambulanten Gesundheitssystem – im Sinne der Patientinnen und Patienten sowie der Niedergelassenen.
- Jana Meyer