Letzte Änderung: 23.03.2023 14:41 Uhr

KV Nordrhein: Unter dem Strich steht für die Praxen ein Minus!

Statement des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), Dr. med. Frank Bergmann: Der KVNO-Chef warnt eindringlich vor einer Unterfinanzierung der Praxen. Laut Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) fehlen der ambulanten Versorgung in Deutschland alleine in diesem Jahr 2,8 Milliarden Euro – runtergerechnet bedeutet dies, dass jede Praxis einen Verlust von 28.000 Euro macht. Ein Grund dafür ist der allgemeine Preisanstieg von 8,7 Prozent.

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© KV Nordrhein

„Das, was wir gerade erleben, ist ein Armutszeugnis für das gesamte Gesundheitssystem. Krankenhäuser und Kliniken sollen zum Teil mit viel zusätzlichem Geld am Laufen gehalten werden. Die Praxen der Niedergelassenen, die mit Abstand den Großteil der Gesundheitsfürsorge von Patientinnen und Patienten leisten, kommen im politischen Wortschatz dieser Tage höchst selten vor. Wir sind bereit, die Herausforderungen anzunehmen, die der demographische Wandel und der Fachkräftemangel mit sich bringt. Aber dafür muss man auch die Rahmenbedingungen schaffen, dass dies möglich ist.     

Steigende Personalkosten müssen gedeckt werden

In den Praxen meiner Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein liegt die Höhe der Aufwendungen im Normalfall sogar noch deutlich höher als der allgemeine Preisanstieg in unserem Land. Durch die vereinbarten Honorarsteigerungen können hiervon aber gerade einmal zwei Prozent abgefedert werden. Das reicht nicht einmal dafür, die gestiegenen Personalkosten in den Praxen auszugleichen. Und wir wollen und müssen den wichtigen Beitrag der MFA in den Praxen angemessen honorieren. In den meisten der heutigen Praxen arbeiten nicht nur ein oder zwei Ärztinnen und Ärzte. Oft sind dort noch mehrere Kolleginnen und Kollegen angestellt – dazu kommen Medizinische Fachangestellte, die sich um die gesamte Organisation kümmern und rund um die Behandlung unterstützen. Da sprechen wir dann schon von einem kleinen bis mittelgroßen Unternehmen.      

Auch die noch verbleibenden Honoraranteile der Niedergelassenen werden wegen der hohen Inflation immer weniger wert. So macht in 2023 jede Praxis im Schnitt 76 Euro Verlust pro Kalendertag!  

Das ambulante System ist das Rückgrat der Versorgung: es darf nicht kaputtgespart werden

Berücksichtigt man Personalnebenkosten und Arbeitszeiten verdient eine selbständige Kollegin oder ein Kollege in der Praxis rund 20 Prozent weniger, als würden sie als Oberärztin oder Oberarzt in der Klinik arbeiten.

Unter diesen Vorzeichen bekommen wir auf Dauer keinen Nachwuchs in unsere Praxen und das wird sich künftig noch stärker auf die Versorgung von Patientinnen und Patienten auswirken. Hier muss Politik Rahmenbedingungen schaffen, die selbständige Ärztinnen und Ärzte wieder gerne und mit Zuversicht in die Selbständigkeit bringt.

Ambulante Versorgung muss finanziell aufgewertet werden – jetzt!

Daher müssen aus meiner Sicht ganz dringend folgende Maßnahmen erfolgen: Um die aktuellen Preissteigerungen abfedern zu können, sollten der vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland dringend und zeitnah 2,8 Milliarden zugeführt werden.

Auf längere Sicht braucht es einen verbindlichen Plan, über den die strukturelle Unterfinanzierung der niedergelassenen Vertragsärzteschaft in Höhe von rund acht Milliarden Euro binnen weniger Jahre ausgeglichen wird. Nur so können wir die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten nachhaltig sichern!

Die gesetzliche Krankenversicherung kann dies auch durchaus leisten: Bei den Krankenkassen liegen unseren Informationen nach Reserven in Höhe von über zehn Milliarden Euro. Zusätzlich befinden sich weitere zwölf Milliarden Euro im Gesundheitsfonds und wir verzeichnen einen Allzeitrekord bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Ich sehe daher keinen Grund, dass dieses für die Patientenversorgung immens wichtige Thema nicht sofort angegangen werden könnte.