Letzte Änderung: 14.08.2023 11:10 Uhr Lesezeit: 3 Minuten

Praxen in Nordrhein: Fachkräftemangel gefährdet Versorgung massiv

Das Problem ist allseits bekannt – sich damit befassen bzw. das niedergelassene System und die Praxisteams unterstützen will aber anscheinend nach wie vor niemand. Die Suche nach Praxisnachfolgerinnen und -nachfolgern gestaltet sich immer schwieriger und die Praxen haben enorme Probleme, offene Stellen zu besetzen.

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© sebra | Adobe Stock
Eine Ärztin ist mit einem Patienten im Gespräch.

Vor allem auch medizinische Fachangestellte (MFA) wandern häufig in andere Bereiche des Gesundheitswesens (Kliniken, Krankenkassen oder Behörden) ab, in denen meistens höhere Gehälter gezahlt werden können.

„Ein wesentlicher Grund für Personalmangel in den Praxen ist die eklatante Unterfinanzierung der ambulanten Versorgung“, sagt Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO). „Allein im Rheinland wurden Honorare von 347 Millionen Euro für die hiesigen Haus- und Fachärzte zwischen Frühjahr 2022 und 2023 nicht ausgezahlt. Darunter leidet dann natürlich auch die Motivation, in einer Arztpraxis als MFA zu arbeiten. Doch ohne MFA liegt das gesamte Backoffice einer Praxis lahm, hier vor allem die Terminvergabe und die gesamte Betreuung der Patientinnen und Patienten“, so Bergmann – und weiter: „Fakt ist: Mit den Gehältern, die den MFA z. B. im stationären Sektor gezahlt werden, können die Niedergelassenen, die die Gehälter aus eigenen Mitteln zahlen müssen, schlichtweg nicht konkurrieren. Ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass sich die Bundespolitik der Anerkennung dieser Tatsache nach wie vor so vehement verschließt. MFA werden in erster Linie im ambulanten Sektor benötigt. Ich werde nicht müde, eindringlich davor zu warnen, dass unsere Praxen ohne geeignetes Fachpersonal dem steigenden Behandlungsbedarf schlichtweg nicht mehr nachkommen können. Der Kampf um die Ressource MFA wird keinen Gewinner hervorbringen, sondern allein zu Lasten der Patientinnen und Patienten gehen!“   

Viele Hausärztinnen und Hausärzte im Rentenalter

Doch nicht nur der MFA-Mangel bereitet Sorgen. Die unbefriedigende Honorarsituation ist laut Bergmann auch für viele junge Ärztinnen und Ärzte ein Argument gegen die Niederlassung. Gleichzeitig stehen viele niedergelassene Medizinerinnen und Mediziner kurz vor dem Ruhestand und suchen händeringend eine Nachfolge für ihre Praxen. Dies gilt vor allem für den Bereich der hausärztlichen Medizin. „Mehr als ein Drittel der rund 6.300 Hausärztinnen und Hausärzte im Rheinland ist über 60 Jahre. Zwar steigen die Arztzahlen nach Köpfen jährlich, doch gibt es durch den Trend zu Teilzeit und Anstellung in Summe kein Wachstum im Versorgungsumfang. Konsequenz sind ein Absinken der Behandlungszeit, längere Wartezeiten und längere Wege zu den Praxen“, so Bergmann.

„Aufgrund der alternden Gesellschaft mit immer mehr multimorbiden Patientinnen und Patienten wird der Bedarf an ärztlichen Leistungen aber zukünftig erheblich steigen. Die seit Jahren grassierende Sparpolitik bei den haus- und fachärztlichen Kolleginnen und Kollegen gefährdet die flächendeckende ambulante Patientenversorgung massiv“, ergänzt Dr. med. Carsten König, stellvertretender KVNO-Vorsitzender.

Aus Sicht der KVNO-Vorstände kann es nur eine Lösung geben: Sowohl die gesetzlichen Krankenkassen als auch die Bundespolitik müssen sich endlich mit der ambulanten Versorgung und deren Bedürfnissen auseinandersetzen. Es brauche umgehend einen verbindlichen und langfristig angelegten Plan zur Beseitigung der seit Jahren herrschenden Unterfinanzierung und Benachteiligung der Praxen gegenüber dem stationären Bereich. Dies schließe auch die Entbudgetierung mit ein, ohne die es den Praxen nicht gelingen wird, den MFA höhere Gehälter zu zahlen und die Abwanderung in andere Bereiche zu stoppen.

Ambulantem Leistungsangebot droht Einschränkung

„Die Wettbewerbsverzerrung durch unterschiedliche Vergütungsanpassungen muss ein Ende haben. Die Haus- und Fachärztinnen sowie -ärzte, die auch als Arbeitgeber eine wichtige Sozialfunktion haben, brauchen dringend Planbarkeit und Verlässlichkeit, um langfristig wirtschaftlich arbeiten zu können. Wenn sich nicht schnellstens etwas ändert, bricht die ambulante Versorgung zusammen und wir werden unseren Sicherstellungsauftrag nicht mehr in angemessener Weise erfüllen können“, so Bergmann und König.

 

Die KVNO hat diese Pressemitteilung im Rahmen der bundesweiten Aktion aller Kassenärztlichen Vereinigungen unter dem Titel „PraxenKollaps – Praxis weg. Gesundheit weg!“ veröffentlicht. Heute und in den nächsten Wochen werden alle KVen im Bund themengleiche Pressemitteilungen in ihren Bundesländern veröffentlichen, um auf die akut gefährdete Situation der ambulanten Versorgung aufmerksam zu machen. Hintergrund sind die Honorarverhandlungen auf Bundesebene, die am 9. August begonnen haben.

Höhepunkt der Aktion wird am 18. August eine gemeinsame Krisensitzung der Vertreterversammlungen aller Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin sein. Es werden ärztliche und psychotherapeutische Vertreterinnen und Vertreter aus ganz Deutschland erwartet.

Mehr Informationen 

Kontakt

Christopher Schneider

KV Nordrhein
stellv. Pressesprecher

Telefon +49 211 5970 8280
E-Mail presse@kvno.de

Thomas Petersdorff

KV Nordrhein
Pressereferent

Telefon +49 211 5970 8109
E-Mail presse@kvno.de