Notdienst Letzte Änderung: 01.03.2023 08:15 Uhr

Reformvorschlag zur Notfallversorgung: Im Ansatz gut – für umsetzbare Reform hapert es an Realismus

Statement des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), Dr. med. Frank Bergmann, zur vierten Stellungnahme der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“.

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© KV Nordrhein
Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein

Diese befasst sich mit der Notfallversorgung sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich – Ziele sollen unter anderem eine noch engere Verzahnung sowie eine abgestimmtere Kooperation der beiden Sektoren sein.

Zustimmung bei Ausbau und Optimierung der bestehenden Strukturen – Finanzierung muss neu gedacht werden

„Eine Weiterentwicklung der Notfallversorgung ist notwendig, insbesondere Ressourcen- und Finanzierungsfragen müssen gelöst werden. Wir haben in Nordrhein in den vergangenen Jahren das Angebot der Portalpraxen an Krankenhäusern deutlich ausgeweitet, sodass die Patientinnen und Patienten je nach Schwere ihrer Erkrankung direkt in die richtige Behandlungsschiene – ambulant oder stationär – geleitet werden. Dieses Erfolgsmodell sollte unbedingt fortgesetzt und weiter ausgebaut werden.

Die Regierungskommission hat aus meiner Sicht auch treffend festgestellt, dass die rein leistungsabhängige Vergütung der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen im Notdienst nicht überall auch zu einer ausreichend finanzierten Versorgungsstruktur führt. Diese Lücke kann und sollte durch eine Vergütung der Vorhaltekosten geschlossen werden. Die aktuelle Finanzierung über die Verwaltungskostenumlage bzw. eine regionale Umlage der notdiensthabenden Ärztinnen und Ärzte führt zu einer immer stärker werdenden Belastung und ist damit ein Hemmschuh für die Niederlassung. Dies hält gerade junge Kolleginnen und Kollegen davon ab, den Weg in die eigene Praxis zu wählen. Denn für den ambulanten Notfall- und Bereitschaftsdienst gilt auch: Ohne einen angemessenen Nachstrom an Praxisnachfolgerinnen und -nachfolgern wird es extrem schwer, den Status quo in der Notfallversorgung aufrechtzuerhalten.   

Bessere Kooperation der Notfall-Rufnummern – Stärkung von Videoangeboten

Die von der Regierungskommission angedachte bessere Vernetzung und Kooperation der Notrufnummern des Rettungsdienstes (112) und des ambulanten Bereitschaftsdienstes (116 117) kann aus meiner Sicht gerade im Rettungsdienst wertvolle Ressourcen einsparen. Hier befinden wir uns in Nordrhein schon seit Längerem im konstruktiven Austausch mit den Feuerwehren. Diese Kooperation müsste letztendlich technisch gelöst werden – alleine aus rechtlicher Sicht unrealistisch erscheint mir allerdings die Idee, beide Bereiche zu einer gemeinsamen Leitstelle zusammenzulegen.

Wofür wir uns als KVNO unbedingt aussprechen, ist der verstärkte Einsatz von Videosprechstunden im ambulanten Notdienst. Dies haben wir in einem vom NRW-Gesundheitsministerium finanzierten Modellprojekt für die kinderärztliche Notdienstversorgung über die Weihnachtsfeiertage bis Ende Januar erprobt. Insgesamt wurden dabei knapp 2.500 Videosprechstunden durchgeführt, und fast der Hälfte der anrufenden Eltern konnte bereits im Rahmen der Online-Beratung abschließend geholfen werden. Hier sehen wir großes Potenzial, auf die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten schnell und direkt eingehen zu können. Gleichzeitig können so die notdiensthabenden Ärztinnen und Ärzte in den Praxen sowie im Fahrdienst entlastet werden.

Wesentlich für den Erfolg der Videosprechstunden wird es zukünftig allerdings sein, dass die Bundesregierung ihr Versprechen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens gerade mit Blick auf ein wirklich funktionierendes eRezept einlöst!

Grundvoraussetzungen müssen stimmen – ‚Ressource Arzt‘ nicht unerschöpflich

Bei allem Gesagten gilt: Ohne einen ausreichenden Nachwuchs an Ärztinnen und Ärzten im ambulanten Bereich sowie ohne ein finanzielles Angebot, das Leistungen und Strukturen refinanziert, nützen alle Vorschläge zur Reform der Notfallversorgung wenig.

Eine bessere Erreichbarkeit der 116 117 für das Rheinland ist der KVNO ein sehr wichtiges Anliegen und wir unternehmen vielfältige Anstrengungen, um an der Stelle auch unseren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Ein Ausbau der 116 117 lässt sich allerdings nicht ohne mehr Personal umsetzen. Die hiermit verbundenen Kosten sind perspektivisch nur mit mehr Finanzierungsverantwortung bei den Krankenkassen zu bewältigen. Deswegen fordern wir, dass die bestehende Vereinbarung mit den Krankenkassen schiedsstellenfähig wird.

Die Vorstellung der Regierungskommission, eine eher unterdurchschnittlich funktionierende 116 117 zu sanktionieren, ist meiner Ansicht nach völlig indiskutabel und sollte auch vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten, welche die Kommunen selbst mit dem Betrieb der 112 haben, sofort ad acta gelegt werden.

KVNO steht zu ihrem Sicherstellungsauftrag – Fehlsteuerung muss vermieden werden

Die KV Nordrhein wird auch in der Zukunft die Notfallversorgung außerhalb der regulären Sprechstundenzeiten sicherstellen können. Während der Öffnungszeiten der Arztpraxen wird die Akut- und Notfallversorgung durch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sichergestellt.

Abzulehnen ist daher der Ansatz der Regierungskommission, dass die Notfallversorgung zu einem breiteren Angebot für diejenigen ausgestaltet werden soll, die schneller einen Termin wünschen oder die während der Sprechstundenzeiten nicht den Weg in die Praxis finden. Das gilt auch für die von der Regierungskommission angedachte Öffnung der Portalpraxis im Integrierten Notfallzentrum – kurz INZ – zu den üblichen Praxis-Öffnungszeiten. Dies würde unweigerlich Fehlanreize setzen, die den Notdienst massiv belasten. Gleichzeitig würde es das Problem der Wartezeiten auf bestimmte Facharzttermine nicht lösen.

Wir brauchen keine weitere Fehlsteuerung von Patientinnen und Patienten – was wir aber brauchen, ist ein ressourcengerechter Einsatz von Ärztinnen und Ärzten sowie von nicht-ärztlichem Personal wie z. B. Medizinischen Fachangestellten, damit auch in Zukunft eine hochwertige Krankenversorgung in der Fläche möglich ist!“

Kontakt

Christopher Schneider

KV Nordrhein
stellv. Pressesprecher

Telefon +49 211 5970 8280
E-Mail presse@kvno.de

Thomas Petersdorff

KV Nordrhein
Pressereferent

Telefon +49 211 5970 8109
E-Mail presse@kvno.de