Covid19 Letzte Änderung: 06.09.2022 12:45 Uhr Lesezeit: 2 Minuten

Pressebriefing vom 6. September 2022

Aktionstag zur Neupatientenregelung und Corona-Gruppenangebote

data-gallery-buttons="["zoom","fullScreen","download","close"]"
© KV Nordrhein

Aktionstag der KV Nordrhein zur geplanten Abschaffung der Neupatientenregelung

Der Gesetzentwurf für das GKV-Finanzierungsgesetz sieht vor, die 2019 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingeführte Neupatientenregelung zu streichen. Diese Regelung – vom damaligen Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach nachdrücklich begrüßt – wurde eingeführt, damit gesetzlich Versicherte vor allem bei Fachärztinnen und Fachärzten zeitnäher an Termine kommen. Als Ausgleich für den Mehraufwand, der Praxen durch Änderungen bei den Praxisabläufen und die Einstellung von zusätzlichem Personal entstanden ist, wurde die Versorgung von neuen Patientinnen und Patienten entbudgetiert, also die Leistung ohne Abschläge vergütet. Dies will der jetzige Bundesgesundheitsminister Lauterbach wieder rückgängig machen. In einem Aktionstag am 7. September wollen die Niedergelassenen in Nordrhein deutlich machen, dass sie mit dieser Sparmaßnahme nicht einverstanden sind und dass sie zu einer Verschlechterung in der ambulanten Versorgung führen könnte.

Dazu der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Dr. med. Frank Bergmann: Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach sagt, dass die Neupatientenregelung nichts bewirkt hat. Das ist faktisch falsch. Ersten Analysen zufolge sind im vierten Quartal 2021 200.000 Neupatientinnen und Neupatienten mehr in den nordrheinischen Praxen behandelt worden als noch im vierten Quartal 2019. Das sind viele Menschen, denen schneller geholfen werden konnte. Die Zahl der Neupatientinnen und Neupatienten wäre vermutlich in „normalen“ Zeiten ohne Pandemie noch einmal deutlich stärker gestiegen – denn viele haben aus Sorge vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus Arztpraxen nur besucht, wenn es dringend nötig war.

In der Öffentlichkeit wird gerne die irrige Annahme wiedergegeben, dass die Niedergelassenen zusätzliches Geld bekommen, wenn sie mehr Neupatientinnen und -patienten aufnehmen. Das ist falsch: Es geht vielmehr um eine endlich angemessene Aufwandsentschädigung. Mit dem von den Kassen für die ambulante Versorgung in Nordrhein zur Verfügung gestellten Geld konnte zuletzt eine Auszahlungsquote der Regelleistungen von nur maximal 90 Prozent erreicht werden. Das heißt: Für zehn Prozent ihrer Leistungen erhalten die Niedergelassenen bereits seit Jahren nicht die Vergütung, die ihnen gemäß dem bundesweit „Einheitlichen Bewertungsmaßstab“ (EBM) eigentlich zustehen. Sie gewähren den Krankenkassen also im Grunde genommen permanent 10 Prozent Zwangsrabatt auf ihre erbrachten Leistungen.
Für Neupatientinnen und Neupatienten gilt die Deckelung nicht – die Neupatientenregelung hat im Grunde genommen diesen Fehler im System behoben und den vollen Vergütungssatz ohne Abschläge möglich gemacht – die Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein können sich seitdem als selbständige Unternehmerinnen/Unternehmer, die sie sind, deutlich stärker auf neue Patientinnen und Patienten fokussieren und tun dies auch.

Hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung, warum die Regelung 2019 eingeführt wurde und was sie konkret für die Praxen bedeutet: Die Aufnahme von neuen Patientinnen und Patienten sollte intensiviert werden, d. h. gesetzlich Krankenversicherte sollten dadurch deutlich zeitnäher an Termine kommen als bisher – dies gerade auch im Vergleich mit Privatversicherten. Dies zielte vornehmlich auf den fachärztlichen Bereich ab.

Zur Definition von Neupatientin/Neupatient: Als solche bzw. solcher gilt man, wenn man zum ersten Mal in der aufnehmenden Praxis behandelt wird oder mindestens zwei Jahre in Folge nicht in dieser Praxis war. Letzteres halte ich auch für absolut angemessen – denn innerhalb von zwei Jahren kann sich vieles in der Krankengeschichte geändert haben, und das muss in Gesprächen dann auch angemessen aufgearbeitet werden.

Die geplante Streichung der Neupatientenregelung würde bedeuten: Vieles muss rückabgewickelt werden. Gerade bestimmte Patientengruppen, z. B. in der Schmerztherapie, die über den orthopädischen Bereich laufen, werden wieder länger auf Termine warten müssen. Kinder mit Sprach- und Entwicklungsstörungen sind ein weiteres Beispiel. 

Die Neupatientenregelung bedeutet auch für viele Hausärztinnen und Hausärzte eine große Entlastung, weil sie ihre Patientinnen und Patienten viel zeitnäher zu den fachärztlichen Kolleginnen und Kollegen überweisen können. Viele Praxen haben umstrukturiert und zusätzlich Medizinische Fachangestellte eingestellt. Diese Stellen sind durch die Pläne aus dem Bundesgesundheitsministerium gefährdet.
Im Rahmen des Aktionstags am 7. September findet von 11 bis 13 Uhr eine Online-Infoveranstaltung mit Vertreterinnen und Vertretern der ärztlichen Berufsverbände zu den möglichen Auswirkungen des Wegfalls der Neupatientenregelung statt. Praxen können in dieser Zeit schließen, um an der Veranstaltung teilnehmen zu können. Die Veranstaltung ist öffentlich und kann unter diesem Link live verfolgt werden:

Überblick über die Corona-Infektionslage und den Stand der Corona-Schutzimpfungen

Die Zahl der Infizierten und die 7-Tages-Inzidenz in NRW sind seit Juli rückläufig. Auch im stationären Bereich ist eine deutliche Entspannung spürbar. Die Sommerwelle ist überstanden. Basierend auf den Erfahrungen der letzten Jahre ist anzunehmen, dass die Infektionszahlen im Herbst wieder ansteigen. Es bleibt abzuwarten, wann die Herbstwelle einsetzt, wie stark das Infektionsgeschehen sein wird und vor allem, welche Virusvariante das Infektionsgeschehen dominieren wird.

Allgemeine Zahlen zum Impfen

In der vorigen Kalenderwoche (KW 35) wurden laut Robert Koch-Institut (RKI) 19.258 SARS-CoV-2-Impfungen für Nordrhein gemeldet – etwas weniger als in der Vorwoche. Die nordrheinischen Vertragsärztinnen und -ärzte führten 17.617 Impfungen in 1.750 Praxen durch – somit 92 Prozent aller Corona-Impfungen in Nordrhein. Zu 94 Prozent handelte es sich dabei um Boosterimpfungen. Erstimpfungen (2 Prozent) und Zweitimpfungen (2 Prozent) sind mittlerweile eher selten. Nachdem die Zahl der Impfungen zum Ende der Sommerferien kurzzeitig noch einmal zugenommen hat, geht sie seit drei Wochen zurück – sowohl insgesamt als auch in der Altersgruppe 60 plus. Die STIKO-Empfehlung zur 2. Auffrischimpfung für Personen über 60 hat sich in den Impfzahlen somit nicht bemerkbar gemacht.

Zur Verbreitung der Virusvarianten

Im wöchentlichen Zeitverlauf der bisherigen Virusvarianten seit Anfang 2021 ist ein wellenförmiger Verlauf zu erkennen; eine Variante löst die andere ab. Aktuell dominiert der Subtyp BA.5 (97 Prozent aller Infektionen). Der Anteil der BA.1-Infektionen, für den jetzt ein angepasster Impfstoff zur Verfügung steht, liegt laut RKI derzeit bei null Prozent (BA.4: 2,5 Prozent, BA.2: 0,5 Prozent). In NRW sind seit Beginn der Pandemie rund 6,6 Millionen Coronafälle registriert worden (Mehrfachinfektionen eingerechnet). Allein 5,2 Millionen davon im Laufe dieses Jahres – überwiegend Infektionen mit einem Omikron-Subtyp. Das bedeutet: Von den knapp 17,9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern in NRW infizierte sich knapp jede/jeder Dritte im Laufe dieses Jahres mit einer Omikron-Variante und hat somit eine gewisse Immunität aufgebaut.

KVNO-Chef Dr. med. Frank Bergmann zu den neuen angepassten BA.1-Impfstoffen:
Spätestens am kommenden Montag (12. September), vielleicht auch bereits in dieser Woche, werden die neuen, bivalenten und an die Omikron-Variante BA.1 angepassten Impfstoffe der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna in den Praxen, die entsprechend bestellt haben, eintreffen. Viele unserer Niedergelassenen in Nordrhein werden aber auf die entsprechende Stiko-Empfehlung dafür warten, die noch aussteht. Die ist für diese Woche in Aussicht gestellt.

Die aktuelle Stiko-Empfehlung für den zweiten Booster gilt für über 60-Jährige und chronisch kranke bzw. immungeschwächte Menschen. Generell können Ärztinnen und Ärzte nach eigenem ärztlichem Ermessen entscheiden, wer zuerst geimpft wird.

Gleichzeitig denken wir, dass viele Menschen über 60 Jahre oder solche mit Vorerkrankungen sich ihre zweite Booster-Impfung schon geholt haben. Wir gehen deswegen zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon aus, dass es wegen des BA.1-Impfstoffs einen „Run“ auf die Praxen geben wird.

Ende September/Anfang Oktober wird der nächste auf die BA.4/BA.5-Varianten angepasste Impfstoff erwartet. Sollte die STIKO ihre Empfehlung auch auf die Altersgruppe unter 60 Jahren ausweiten, wird es vermutlich einen deutlichen Anstieg bei der Impfnachfrage geben.

Die nordrheinischen Praxen werden aber auch diese Nachfrage wie gewohnt zuverlässig bedienen können – wie sie das auch in den vergangenen anderthalb Jahren getan haben.

Grundsätzlich zu den neuen Impfstoffen selbst und ihrer Wirksamkeit: In Europa sind die beiden angepassten Impfstoffe BA.1 von Biontech und von Moderna zugelassen. Die mRNA-Impfstoffe sind eine Mischung aus dem bisherigen Impfstoff gegen den Wildtyp und einer neuen mRNA, die an die Omikronvariante BA.1 angepasst wurde. Aufgrund der Antikörpertiter ist davon auszugehen, dass der angepasste Impfstoff besser vor Omikronvarianten schützt als der bisherige Impfstoff. Die noch weiter angepassten Impfstoffe gegen die BA.4-/BA.5-Varianten werden in gut einem Monat erwartet. Zu diesen Impfstoffen liegen zurzeit noch keine klinischen Daten vor – sie sind also nicht an Menschen getestet worden, wie der BA.1-Impfstoff.

Zu den neuen Corona-Gruppenangeboten für Kinder- und Jugendliche führte der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Dr. med. Frank Bergmann, u. a. Folgendes aus:

Viele Kinder und Jugendliche haben unter den Folgen der Corona-Pandemie auf ihren Alltag sehr gelitten und tun dies auch immer noch. Uns war es daher ganz wichtig, zusammen mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten sowie –psychiaterinnen und -psychiatern ein niedrigschwelliges Therapieangebot zu entwickeln und gemeinsam mit dem NRW-Gesundheitsministerium (MAGS) anbieten zu können.

Es geht dabei erst einmal um keine langfristige Behandlung, sondern darum, die Persönlichkeit der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu stärken – das läuft zum Beispiel über Verhaltens- oder Entspannungsübungen, die gemeinsam trainiert werden. Dadurch wollen wir im Ansatz abfedern, dass es eben zu psychischen Langzeitfolgen kommt.

Wir sind sehr froh, dass sich schon über 130 Therapeutinnen und Therapeuten aus Nordrhein für dieses Versorgungsprojekt angemeldet haben – der Großteil davon (97) hat mittlerweile auch entsprechende Therapiegruppen – zum Teil auch für die Eltern betroffener Kinder – ins Leben gerufen. Diese Angebote werden sehr dabei helfen, die psychische Belastung durch Corona, die nach wie vor existent und in einigen Fällen noch lange nicht aufgearbeitet ist, angehen zu können, ohne dabei lange auf Termine warten zu müssen.

Das MAGS finanziert dieses Projekt und als KV Nordrhein freuen wir uns über die konstruktive Zusammenarbeit an der Stelle – auch bei Gruppenangeboten für die Betroffenen der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr haben wir gut und vertrauensvoll mit dem NRW-Gesundheitsministerium zusammengearbeitet, das auch dafür die Finanzierung übernommen hat.

Eine Übersicht der Gruppenangebote finden Sie hier:

Kontakt

Sven Ludwig

KV Nordrhein
Pressesprecher

Telefon +49 211 5970 8505
E-Mail presse@kvno.de

Christopher Schneider

KV Nordrhein
stellv. Pressesprecher

Telefon +49 211 5970 8280
E-Mail presse@kvno.de

Thomas Petersdorff

KV Nordrhein
Pressereferent

Telefon +49 211 5970 8109
E-Mail presse@kvno.de