Letzte Änderung: 28.03.2025 18:50 Uhr
KVNO-VV: Chance für politischen Neuanfang jetzt nutzen – Selbstverwaltung ist starker Partner für den Wandel
Neuwahlen, Koalitionsgespräche, Arbeitsgruppe – die jüngsten Geschehnisse im politischen Berlin zählten auch bei der heutigen Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) zu den Topthemen.

Für Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KVNO, beinhaltet das zur Wochenmitte bekannt gewordene Papier der AG Gesundheit und Pflege von CDU und SPD einige positive Vorhaben, auf denen Selbstverwaltung und Politik gemeinsam aufbauen können. „Viele unserer Forderungen finden sich im Papier wieder. Etwa die schnelle Umsetzung der Notfallreform, das Bekenntnis zum Belegarztwesen oder auch der erkannte Regelungsbedarf bei investoren-betriebenen MVZ. Hier müssen künftig ärztliche, nicht wirtschaftliche Interessen der Gesellschafter maßgeblich werden“, sagte Bergmann. An den Umsetzungsprozessen werde die Selbstverwaltung offen-konstruktiv und auf „Augenhöhe mit den politischen Entscheidern“ mitarbeiten.
Kritisch zu bewerten seien dagegen die im Papier angedachten Abschläge bei Fachärzten in vermeintlich „überversorgten“ Gebieten – dies sei nicht der richtige Weg für eine nachhaltige Sicherstellung. „Wir brauchen keine neue Umverteilung, sondern gerade bei der fachärztlichen Versorgung neben der Entbudgetierung auch viel mehr Unterstützung und Förderung für die Weiterbildung“, betonte Bergmann.
Reform der Patientensteuerung wird Hauptaufgabe
Zu begrüßen sei laut dem KVNO-Chef auch, dass sich die wahrscheinliche Koalition des drängenden Themas Versorgungssteuerung annimmt. Angesichts abnehmender Arztressourcen, einer alternden Gesellschaft und steigendem Kostendruck zähle dies mit zur Hauptaufgabe. Völlig richtig sei dabei auch der im AG-Papier formulierte Konsens, diese Herausforderung innerhalb des Kollektivvertrags lösen zu wollen. Im Gegensatz zu Einzelverträgen lasse sich laut Bergmann nur so eine flächendeckende und verbindliche Steuerung über alle Versicherten erreichen. „Wir brauchen ein Maßnahmenbündel aus vernetzten Steuerungsstrukturen, das über die klassische hausärztliche Überweisung hinausgeht. Gerade multimorbide Patienten sollten – je nach Bedarf – zwischen Haus- und Fachärzten, aber auch zwischen Facharztgruppen untereinander koordiniert werden können“, so Bergmann. Überlegenswert sei, das Instrument des „Vermittlungsfalls“ künftig auf grundversorgende Facharztgruppen auszuweiten.
Rolle und Funktion der 116 117 aufwerten
Für eine bedarfsgerechte Patientensteuerung sollte aus Sicht Bergmanns die Servicenummer 116 117 eine zentrale und verbindliche Rolle in der zukünftigen Patienten- und Terminsteuerung übernehmen, nicht zuletzt in Akutfällen. Projekte aus Nordrhein könnten dabei als Vorbild und Blaupause für den Bund dienen – etwa bei der kinderärztlichen oder der seit März 2025 neu eingeführten Videosprechstunde im allgemeinen Notdienst. Beide Angebote setzen verpflichtend auf den Einsatz eines standardisierten Ersteinschätzungsverfahrens (SmED), das der Behandlung vorgeschaltet ist.
Erprobung von Videokabinen bei der pädiatrischen Videosprechstunde
Angesichts der positiven Erfahrungen mit ihrem Videosprechstundenangebot wird die KVNO digitale Arzt-Patienten-Konsultation weiter ausbauen. In Bonn testet sie im Laufe des Frühjahrs den Einsatz einer stationären Kabine für die kinderärztliche Videosprechstunde. Eltern oder Patienten, die in der Praxis auf dem Venusberg (GFO-Kliniken) warten, können nach der Ersteinschätzung entscheiden, ob sie auf den Diensthabenden warten oder in der Kabine eine Videosprechstunde starten möchten.
Nicht nur bei der Patientensteuerung im Notdienst, auch beim Thema Sicherstellung macht die KVNO ihre Hausaufgaben – etwa mit ihrem breiten Maßnahmen- und Fördermix des Strukturfonds. Für das 2. Halbjahr 2025 kündigte der Vorstand der VV zudem das Projekt „Starter-Praxis“ im Raum Kleve an, in dessen Rahmen junge Mediziner in die selbstständige Vertragsarzt-Tätigkeit in Nordrhein Schritt für Schritt hineinwachsen sollen. Ziel ist es, dass die Interessenten die Praxis nach einigen Monaten komplett in Eigenregie übernehmen.
Innovationskraft der Selbstverwaltung breiter nutzen
Für KVNO-Chef Bergmann belegen diese Projekte, dass die Selbstverwaltung mit Innovation und Tatendrang vorangehe. Nicht nur die neue Koalition, sondern auch die Kostenträger sollten dieses Potenzial viel stärker ausschöpfen. Doch nicht nur das: „Wir tragen die Verantwortung für die Sicherstellung der ambulanten Versorgung und kommen unserem Auftrag mit großem Engagement nach. Dafür benötigen wir aber auch weiterhin die notwendigen Finanzmittel, sprich den alleinigen Abrechnungsauftrag für alle ambulant erbrachten Leistungen. Jede Leistung, die nicht über die KV abgerechnet wird, kann am Ende nicht ambulant investiert werden“, so Bergmann.
Klage gegen TeleClinic GmbH wird begrüßt
In diesem Zusammenhang begrüßte die VV auch die von der KVNO kürzlich angestoßene juristische Prüfung des Geschäftsmodells der TeleClinic GmbH. Diese und ähnliche Online-Plattformen bieten ausschließlich die Vermittlung von Videosprechstunden an. Eine mögliche und notwendige Anschlussversorgung in einer Praxis sei in solchen Behandlungsmodellen aber oftmals nicht sichergestellt.
ePa-Testbetrieb weiterhin von Störungen gekennzeichnet
Dr. med. Carsten König, stellvertretender KVNO-Vorsitzender, gab der VV ein Update zum aktuellen Testbetrieb der elektronischen Patientenakte (ePA). „Nach wie vor gibt es PVS-Hersteller, deren Software noch gar keine ePA-Nutzung ermöglicht. Wir hören aus den Testpraxen zudem von Fehlern, unvollständigen Dokumenten und unzuverlässigen Updates. Unterm Strich ist das alles noch längst nicht praxisreif“, betonte König und warnte eindringlich vor einem verfrühten Rollout der ePA. Dieser wäre angesichts der aktuell nicht gegebenen technischen Funktionalität „sinnlos“. Bislang deuteten die Signale aus Berlin allerdings laut König auf einen tatsächlichen ePA-Start im Bund Anfang April hin.
Gute Nachrichten gab es zum Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin: Laut König haben 2024 mehr als 500 Teilnehmende an den Weiterbildungen teilgenommen. „Vor sechs Jahren sind wir mit knapp 150 Teilnehmenden gestartet, über diesen deutlichen Zuwachs freue ich mich. Ebenso über die gute Integration der Kinderärzte in die Weiterbildung“, so König. Im laufenden Jahr stünden auch Veranstaltungen für Studierende an, die sich auf die Landarztquote in NRW beworben haben.
Beschlüsse: Palliativversorgung stärken, Weiterbildung neu finanzieren
Im Rahmen ihrer Sitzung positionierten sich die VV-Delegierten zu weiteren bedeutenden Versorgungsthemen. Per Beschluss forderten sie u.a. die Krankenkassen dazu auf, die Palliativversorgung im Rheinland konstruktiv weiterzuentwickeln und dabei die Rolle bewährter ärztlicher Palliativnetzwerke zu stärken. Ebenso fordert die VV Neuregelungen auf Bundesebene zur Finanzierung der ambulanten Weiterbildung. Hier solle eine Beteiligung aller Kostenträger erreicht werden.