Letzte Änderung: 25.11.2022 20:40 Uhr Lesezeit: 2 Minuten

KVNO-Vertreterversammlung: „Politik steht in der Bringschuld für die Niedergelassenen und die ambulante Versorgung!“

Die niedergelassene Vertragsärzteschaft im Rheinland betont ihre Bereitschaft, auch angesichts der aktuellen Krisen und Herausforderungen alle Kraft in die Versorgung zu geben – hierfür braucht es aber klare und verlässliche Strukturen durch die Politik.

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© mockdrop.io/KV Nordrhein

Mit dieser grundlegenden Botschaft hat am heutigen Freitag im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft die letzte Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) im Jahr 2022 stattgefunden. Es war zugleich die letzte Sitzung der 15. Wahlperiode, was Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KVNO, zum Anlass für einen Rückblick auf die ablaufende Legislatur nutzte.

Einen besonderen Dank richtete Bergmann an die scheidenden VV-Vorsitzenden Bernd Zimmer und Fritz Stagge, die beide diese Ämter künftig nicht mehr ausüben werden. Auch den Delegierten sprach er großen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Vorstand und den ehrenamtlichen Einsatz der VV-Mitglieder aus. Nicht nur in der Corona-Pandemie, sondern u.a. auch in Honorarfragen und Beschlüssen zur Gestaltung der ambulanten Versorgung im Rheinland habe sich dieses herausragende Engagement gezeigt, so Bergmann.

„Auch den künftigen vor allem krisengeprägten Herausausforderungen muss die Selbstverwaltung weiter mit unermüdlicher Überzeugungsarbeit, Rechtschaffenheit, sowie Geradlinigkeit und klugen Argumenten in Verbindung mit viel Langmut und Ausdauer begegnen“, unterstrich der KVNO-Vorsitzende.

KVNO stellt weitere Weichen für die Förderung des ärztlichen Nachwuchses

Zur zweifelsohne mit größten Aufgabe des KV-Systems zählte und zähle aus Sicht des Vorstands die ambulante Versorgungssicherstellung in ländlichen Bereichen. Hier werde es mehr denn je gelten, mögliche Versorgungsengpässe frühzeitig zu identifizieren und durch kreative Lösungen aktiv anzugehen. „Allein über unseren Strukturfonds haben wir seit 2018 über 360 Ärztinnen und Ärzte für das Rheinland gewinnen können – in die entsprechenden Fördermaßnahmen sind fast 23 Millionen Euro geflossen. Auch 2023 wollen wir diesen Weg konsequent weitergehen und unter anderem unsere Förderungen im Praktischen Jahr (PJ) finanziell aufwerten“, kündigte Bergmann an. Der Erhöhung der monatlichen PJ-Förderung von 600 auf 800 Euro und weiteren Anpassungen der KVNO-Sicherstellungsrichtlinie stimmte die VV auf Antrag von Vorstand und Hauptausschuss mit großer Mehrheit zu.

Beteiligung von Politik und Krankenkassen für Förderung der Niederlassung gewünscht – Kritik an fehlender Unterstützung in Energiekrise

In Summe sei die Förderung der haus- und fachärztlichen Versorgung aus Sicht des Vorstands aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die das ambulante System nicht alleine bewältigen könne – dies gelte mit Blick auf den in NRW anstehenden Umbau der Krankenhauslandschaft und ebenso auf die im Bund angestrebte Ambulantisierung stationärer Leistungen.

Die VV reagierte angesichts dessen mit großem Unverständnis auf die mangelnde Bereitschaft von Politik und Kassen, die Finanzierungssituation der Praxen zeitnah und spürbar zu verbessern. „Trotz der großen Leistungen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen bei der nunmehr fast zwei Jahre laufenden Impfkampagne sind die Praxen bei den geplanten Hilfsprogrammen über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds bisher nicht berücksichtigt worden“, kritisierte Bergmann. Dies könne gerade für Bereiche etwa der Dialyse, oder Radiologie zu einem existentiellen Problem werden – temporäre Schließungen nicht ausgeschlossen. „Hier haben Staat und Kassen eine Mitverantwortung, zumal die hohen Energie- und Inflationskosten auch eine politische Ursache haben. Die Niedergelassenen benötigen wie auch die Krankenhäuser eine Unterstützung in der Krise.“  

Resolution: Rebudgetierung der „Neupatienten“ bedeutet Versorgungs-Zäsur

Dass der ambulante Bereich zunehmend ein „blinder Fleck“ auf der politischen Landkarte sei, zeige sich nach Meinung der VV auch an der jüngst vom Gesetzgeber durchgesetzten Streichung der Neupatientenregelung. Auf Antrag des Beratenden Fachausschusses für die fachärztliche Versorgung fasste die VV eine Resolution, in der sie die Abschaffung der entsprechenden TSVG-Regelungen und vor allem die Rebudgetierung der Neupatienten aufs Schärfste missbilligt. Die Abschaffung sei eine „Zäsur in der kassenärztlichen Versorgung“, die Praxen dringend notwendige Mittel entzieht. „Der Glaube an eine tragbare Gegenfinanzierung der Grundversorgung ausschließlich im System GKV und EBM ist durch die Rechtsänderung nachhaltig erschüttert und bei vielen Kollegen erloschen“, heißt es im Resolutionstext.

Ebenfalls klar positionierte sich die VV auf Antrag des Vorstands zur Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Arzneimitteln: Bund und Land werden aufgefordert, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um essenzielle Produkte, deren kurzfristige Verfügbarkeit jederzeit zu gewährleisten ist, verbindlich festzulegen und die vielschichtigen Ursachen für Lieferausfälle kritischer Arzneimittel zu analysieren.

Gesetzgeber muss Digitalisierung dringend sinnvoll gestalten

Weiteres VV-Thema war die Digitalisierung und die Anwendungen der Telematik-Infrastruktur (TI), zu deren Sachstand in hiesigen Praxen Dr. med. Carsten König, stellv. KVNO-Vorsitzender, den Delegierten berichtete. Insgesamt habe sich die Politik laut König bei der Digitalisierung „verzettelt“, was sich beispielhaft an der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) zeige. „Nahezu alle Praxen (98 Prozent) in Nordrhein sind grundsätzlich für die Nutzung der ePA bereit, sie wird momentan aber lediglich von 0,5 Prozent der Versicherten genutzt. Auch die praktische Nicht-Nutzbarkeit des eRezeptes fällt in diesen Bereich. Solch halbfertige Anwendungen bringen Praxen wie Versicherten keinerlei Nutzen“, sagte König. Auch der „Hick-Hack um den etwaigen Konnektorentauschs oder die vor kurzem vom Bund ins Spiel gebrachte Neuregelung der TI-Finanzierung zur Verwirrung vieler Niedergelassener beitragen. Aus Sicht des KVNO-Vorstands sei die Lage dagegen klar: „Der Staat will die TI – also muss er alles, was damit zusammenhängt, den Praxen vollumfänglich bezahlen.“

Deutliche Kritik richtete König auch gegen die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums, die Corona-Schutzimpfungen schon ab Januar komplett in die Regelversorgung zu überführen. „Die hierzu notwendigen Voraussetzungen - etwa bei der Praxissoftware – sind überhaupt noch nicht umgesetzt. Ebenso sind die bisherigen Mehrdosenbehältnisse in der alltäglichen Praxis ungeeignet. Hier braucht es dringend die von uns lange geforderten Einzeldosen“, so König.

Weiterentwicklung des Notdienstes und Neubau in Köln

Der Vorstand gab der VV auch einen Überblick über die Weiterentwicklung der Notdienststrukturen in Nordrhein – hier etwa zu dem in der Städteregion Aachen ab Januar 2023 startenden ärztlichen Fahrdienst mit Wagen im KVNO-Design. Gestellt und besetzt werden die Fahrzeuge über die KVNO-Tochtergesellschaft GMG. Ebenfalls ab Januar startet in den ersten der insgesamt rund 80 Notdienstpraxen im Rheinland die Anbindung an die TI.

Gute Nachrichten gab es auch zum Bau des neuen KVNO-Standorts an der Butzweilerhofallee in Köln: Der Innenausbau geht derzeit in seine letzte Phase. In den kommenden Wochen erfolgt die organisatorische Vorbereitung zur Inbetriebnahme des Gebäudes. Der Einzug von über 400 KVNO-Mitarbeitenden ist für das zweite Quartal 2023 geplant.

Wie immer am Jahresende waren auch die Präsentation und die Debatte um die Bilanz des Geschäftsjahres 2021 und den Haushalt für 2023 wesentliche Tagesordnungspunkte der VV. Die Delegierten genehmigten ohne Gegenstimmen beide Zahlenwerke und entlasteten den Vorstand. Der Verwaltungskostensatz der KVNO bleibt 2023 unverändert. Die Mitglieder zahlen bei IT-unterstützter Abrechnung weiterhin 2,8 Prozent ihres Arztumsatzes.

Kontakt

Christopher Schneider

KV Nordrhein
stellv. Pressesprecher

Telefon +49 211 5970 8280
E-Mail presse@kvno.de

Thomas Petersdorff

KV Nordrhein
Pressereferent

Telefon +49 211 5970 8109
E-Mail presse@kvno.de