Letzte Änderung: 01.08.2022 12:30 Uhr Lesezeit: 3 Minuten

Modell der Zukunft – Fachtagung von Zi und KVNO diskutiert Potenziale der Komplexbehandlung nach Vorbild des NPPV

Vernetzung macht den Unterschied – unter diesem Motto fand vergangenen Mittwoch, 27. Juli, die digitale Fachtagung „Versorgung von schwer psychisch Erkrankten – das NPPV-Projekt“ statt.

data-gallery-buttons="["zoom","fullScreen","download","close"]"
© vegefox.com / AdobeStock

Im Zentrum der zusammen von Kassenärztlicher Vereinigung Nordrhein (KVNO) und Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) ausgerichteten Online-Veranstaltung standen kooperative und in Netzwerken organisierte Behandlungsmodelle nach dem Vorbild des Ende 2021 ausgelaufenen Innovationsfondsprojekts Neurologisch-Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung, kurz NPPV.

Gemeinsam diskutierten die Teilnehmenden über die Impulse und Erfahrungen aus dem erfolgreichen Projekt, an dem sich seit 2017 mehr als 14.000 Patientinnen und Patienten an über 430 Praxisstandorten mit über 700 Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten im Rheinland beteiligt haben. Hauptziel des Projektes NPPV war, die Regelversorgung von schwer psychisch Erkrankten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu verbessern – ein Ziel, darin kamen die Expertinnen und Experten schnell überein, das ohne Zweifel erreicht werden konnte. Schon bald wird das Projekt in die Regelversorgung übergehen: Ab Oktober greift die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf (KSVPsych-RL), in der die zentrale Konzeption des Projektes NPPV fortgeführt wird.    

NPPV als Blaupause für patientenzentrierte Versorgung

Mit Blick auf deren Implementierung sagte Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KVNO: „Ich bin sehr optimistisch, was die Umsetzung der KSVPsych-Richtlinie angeht. Mit NPPV haben wir in Nordrhein den Grundstein dafür gelegt, eine Versorgungsrealität zu verabschieden, in der die fachärztliche und psychotherapeutische Seite in der Behandlung psychisch erkrankter Menschen noch überwiegend getrennt voneinander operiert hatten. Bis zum Start des NPPV-Projekts handelte es sich hier um zwei Versorgungswelten, die im Laufe der Zeit zusammengewachsen sind und so das System für Hilfesuchende durchlässiger gemacht haben. Es ist nicht zu unter-schätzen, dass wir mit dieser Kooperation einen großen Schritt nach vorne gegangen sind. Denn die Erfahrung lehrt, dass die gemeinsame Fallarbeit in vernetzten Strukturen die Netzwerkexpertise erheblich verbessert, was am Ende auf die Behandlungsqualität einzahlt. Dass uns dies in weiten Strecken erfolgreich gelungen ist, zeigt das Feedback der Patientinnen und Patienten – aber auch der Praxen, die signalisiert haben, dass sie diese Versorgungsform unbedingt weiterführen wollen. Das sind sehr gute Vorzeichen für die Fortführung im Rahmen der KSVPsych-Richtlinie.“     

Regelversorgung und Patientenbeteiligung verbessern

Die positiven Auswirkungen des NPPV-Programms auf die Versorgung konn-ten auch Evaluationen nachweisen, die im Rahmen der Tagung vorgestellt wurden. Neben einer geringeren Zahl an Krankschreibungen konnte dabei eine Verbesserung der Lebensqualität bei den Patientinnen und Patienten be-legt werden; auf ärztlicher bzw. psychotherapeutischer Seite wurde die berufsgruppenübergreifende, strukturierte und IT-gestützte Arbeit mit hohen Zufriedenheitswerten bedacht. 

Ein insgesamt positives Resümee zog auch der Vorsitzende des G-BA, Prof. Josef Hecken, der die Bedeutung des Projektes NPPV vor dem Hintergrund bestehender Defizite mit fehlender oder unzureichender Steuerung und Koordination in der Regelversorgung insbesondere psychiatrischer Patienten her-vorhob. 

Einordnend sagte Dr. Dominik von Stillfried, Zi-Vorstandsvorsitzender und Moderator der Veranstaltung: „Die Ergebnisse unterstützen die Ziele und Vor-gaben der G-BA-Richtlinie. Zum einen belegt das Projekt, wie die Regelversorgung verbessert werden kann. Es zeigt, dass die koordinierte berufsgruppenübergreifende Versorgung sowohl für Erkrankte als auch für Behandelnde motivierende Wirkung hat. Das ist wichtig, denn die Evaluation weist darauf hin, dass die angestrebte Verbesserung gegenüber der Regelversorgung gar nicht so leicht ist. Darüber hinaus wird nahegelegt, dass bei der Umsetzung eine Intensivierung der Behandlung zu erwarten ist. Ehrgeizige Einsparziele konnten und können voraussichtlich nicht realisiert werden. Die Darstellung des Nutzens wird in der Begleitevaluation der Richtlinie daher genauer zu be-leuchten sein. Ebenso sollte bei der Intervention und ihrer Evaluation künftig beachtet werden, wie Perspektiven der Patientinnen und Patienten sowie deren Angehöriger stärker berücksichtigt werden können.“ 

Die Aufzeichnung der Tagung mit Beteiligung u. a. von Prof. Josef Hecken, Vorsitzender des G-BA, Prof. Wolfgang Greiner, Sachverständigenrat Gesundheit, und Dr. med. Bernhard Gibis, Kassenärztliche Bundesvereinigung, kann auf der Website des Zi und nachfolgend eingesehen werden.