Letzte Änderung: 22.11.2024 18:00 Uhr
KVNO-VV erweitert ambulante Förderprogramme – Entlastung der Ärztinnen und Ärzte im Notdienst eingeleitet
„Mit unseren Maßnahmen sorgen wir für eine Stärkung der ambulanten Strukturen, denn Nordrhein kann sich keinen gesundheitspolitischen Stillstand leisten“ – mit diesen Worten eröffnete Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), die heutige Vertreterversammlung (VV) im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft.
Nach dem Scheitern der Ampel-Koalition werde es keine Reform des Notdienstes geben und auch die versprochene Entbudgetierung bleibe vorerst aus. Letzteres sei laut Bergmann ein besonders „fatales Signal“ für die Praxen. Gerade angesichts der aktuell herausfordernden Zeiten käme es mehr denn je auf kreativen Gestaltungswillen an – so wie er immer wieder von der KVNO und ihren VV-Delegierten gelebt werde. Anders als in den vergangenen Jahren müsse eine neue Regierung künftig viel stärker die Lösungskompetenzen der Selbstverwaltung einbeziehen. Viel wurde bereits auf den Weg gebracht, weitere Impulse folgen: Mit ihren eigenen Ideen und Konzepten für eine zukunftsfeste ambulante Versorgung werde sich die KVNO zeitnah vor der Bundestagswahl positionieren, gab der Vorstand bekannt.
Effizienz steigern: Neues „Poolarzt-Konzept“ im Fahrdienst vorgelegt
Die VV stimmte dem Konzept des Vorstands zu: Im Verbund mit einer zentralen Dienstplanung, angepassten Fahrdienstbezirken sowie einer neuen Sicherstellungspauschale sollen die ärztlichen Hausbesuche in Nordrhein zu den Notdienstzeiten zukünftig weitgehend mit Poolärzten (freiwillige Vertrags- und Nichtvertragsärzte) besetzt werden. „Damit entlasten wir unsere im Praxisalltag extrem eingespannten Mitglieder von Dienststunden und sorgen ebenso für eine einheitliche, verlässliche Fahrdienst-Struktur in allen Regionen des Landesteils“, so Bergmann.
Ambulante Versorgung innovativ und zukunftsfähig aufstellen
Angesichts veränderter Anforderungen junger Mediziner an die Vereinbarkeit von Beruf und Familie brauche es laut KVNO-Vorstand grundsätzlich auch eine Veränderungsbereitschaft und ein Mehr an innovativen Arbeitsmodellen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung. Hier sei vor allem die Teampraxis mit ihrer kooperativen und multiprofessionellen Arbeitsstruktur, vernetzt mit anderen Heilberufen, das Modell der Zukunft. Wesentliches Potenzial habe dabei auch das Berufsbild des „Physician Assistant“ (PA). Bergmann: „Wir wollen gezielt Praxen und PAs zusammenbringen und auch die fachliche Qualifikation der medizinischen Fachangestellten (MFA) weiter ausbauen mit dem Ziel, mehr Versorgungsverantwortung zu übernehmen und damit die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen noch besser im Rahmen der Delegation entlasten zu können“. Entsprechenden finanziellen Förderungen von Praxen in Nordrhein, die PA-Studierende praktische Einblicke in die ambulante Versorgung ermöglichen, stimmte die VV mit großer Mehrheit zu. Dem Einsatzpotenzial von PA in Haus- und Facharztpraxen wird 2025 darüber hinaus ein eigenes KVNO-Modellprojekt nachgehen, wie Bergmann in der VV ankündigte.
Neue Fördermaßnahmen zur strategischen Sicherstellung etabliert
Unterstützt werden kann künftig die Beschäftigung von Sicherstellungsassistenten in nordrheinischen Fördergebieten – etwa zur temporären Abfederung von Spitzenbelastungen oder zum Heranführen an die Niederlassung. Großes Potenzial für die ambulante Versorgung sehen VV-Delegierte und Vorstand zudem bei Haus- und Fachärzten aus Drittstaaten, die über eine vorläufige Berufserlaubnis in Deutschland verfügen: Um sie bis zur Anerkennung der Approbation zur Unterstützung der Praxen in die ambulante Versorgung zu bringen, stehen nun ebenfalls Fördermittel aus dem Strukturfonds bereit.
Ausbau der strukturellen Förderung für Praxisnetze in Nordrhein
Wichtige Weichen stellten die VV-Delegierten auch mit Blick auf anerkannte Praxisnetze in Nordrhein. Deren gelebte Innovationen und Versorgungskonzepte sollen künftig noch stärker für die ambulante Versorgung nutzbar gemacht werden. Dafür steht zukünftig ein Fördermix aus Strukturfinanzierung und Versorgungsprojektförderung mit bis zu 250.000 Euro zur Verfügung.
Krankenkassen sollen Notdienst-Strukturkosten vollständig finanzieren
Nicht nur mit Blick auf den erheblich ausgebauten Förderkatalog der KVNO erneuerte der KVNO-Vorstand vehement die Forderung nach einer viel stärkeren Kosten-Beteiligung der Kassen. Dies gelte insbesondere für den Notdienst, mit Blick auf den Betrieb der 116 117 oder der über 85 Notdienstpraxen in Nordrhein. „Wir fordern die hundertprozentige Finanzierung der Strukturkosten durch die Krankenkassen und werden uns nicht mit einer anteiligen Beteiligung zufriedengeben“, sagte Bergmann. Dies habe die KVNO bereits unmissverständlich an die entsprechenden Stellen in Bund und Land adressiert und werde daran weiter festhalten. Der Notdienst zähle aus Sicht der KVNO zur Daseinsvorsorge, die entsprechenden Strukturkosten seien daher nicht aus ärztlichen Honorarmitteln zu tragen.
Start mit Fragezeichen: ePA und QS-Verfahren in Modellregionen
Weitere VV-Themen waren die elektronische Patientenakte (ePA) und das Qualitätssicherungsverfahren (QS-Verfahren) Psychotherapie, die beide Anfang 2025 – zum Teil in Modellregionen – in Nordrhein starten. Laut Dr. med. Carsten König, stellvertretender KVNO-Vorsitzender, seien beide Projekte trotz nahender Umsetzung für die Niedergelassenen noch mit Unwägbarkeiten verbunden. „Die jüngst angekündigte möglicherweise verzögerte Umsetzung des ePA-Starts in den Praxen beruht auch darauf, dass wir noch kein klares Bild über deren konkrete Funktionalität im Praxisalltag haben“, sagte der KVNO-Vize. Um als Selbstverwaltung eigene Erfahrungen sammeln und Verbesserungspotenziale aufzeigen zu können, habe man zusammen mit der KV Westfalen-Lippe und der Krankenhausgesellschaft NRW die „ePA-Modellregion NRW“ auf den Weg gebracht. Diese werde Mitte Januar mit 25 Praxen im Rheinland - in Essen und der Städteregion Aachen – und in vier Kliniken auf jeden Fall starten.
Auch beim QS-Verfahren Psychotherapie, das auf Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses im Januar 2025 in NRW in eine sechsjährige Erprobungsphase starten wird, zeige sich laut König die Hinhaltetaktik der Kassen, den sich durch die Testphase ergebenden deutlichen dokumentarischen Mehraufwand entsprechend zu vergüten. Hierzu positionierte sich die VV deutlich: Mit großer Mehrheit wurde ein Antrag des Beratenden Fachausschusses Psychotherapie angenommen, der eine vollständig Finanzierung der sich durch das Projekt ergebenden Mehraufwände fordert.
Erfolgreich Nachwuchs gewinnen für ambulante Versorgung
Gute Nachrichten konnte der Vorstand beim Thema Nachwuchsgewinnung überbringen. Hier habe die KV im ausklingenden Jahr 2024 zahlreiche erfolgreiche Aktivitäten (Landpartien, Praxisbörsentage, Jobmessen) durchgeführt und sei dabei gezielt bereits auf Medizinstudierende und potenzielle MFA zugegangen. Für 2025 stehen laut König schon jetzt gut 50 Aktionen und eine neue Nachwuchskampagne der KVNO auf der Agenda. Besondere Aufmerksamkeit werde im nächsten Jahr dem ersten Absolventenjahrgang der „Landarztquote“ in NRW zuteilwerden – für diese jungen Kolleginnen und Kollegen seien regelmäßige Informations- und Netzwerkveranstaltungen der KVNO vorgesehen.
Positiv stimmt König auch die Entwicklung im Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Nordrhein: Die Teilnehmerzahlen und Seminarangebote haben sich sehr gut entwickelt, von 2018 bis 2023 haben sich die ÄiW-Seminare fast verfünffacht (von 48 auf 228) sowie die Teilnehmerzahlen mehr als verdoppelt (von 246 auf 454). Die Evaluationsergebnisse: sehr positiv (Schulnote 1,5).
Haushalt 2025 genehmigt, Verwaltungskostensatz bleibt stabil
Ebenfalls auf der Tagesordnung der November-VV standen die Bilanz des Geschäftsjahres 2023 und der Haushalt für 2025. Die Delegierten genehmigten beide Zahlenwerke und entlasteten den Vorstand. Der Verwaltungskostensatz der KVNO bleibt auch im kommenden Jahr stabil. Die Mitglieder zahlen bei IT-unterstützter Abrechnung weiterhin 2,8 Prozent ihres Honorarumsatzes. Ebenfalls unverändert – 165 Euro pro Quartal (bei vollem Versorgungsauftrag) – bleiben 2025 die Notdienstumlage sowie der Abgabesatz am erzielten Umsatz (zehn Prozent).
„Wir werden unsere Aufgaben und Herausforderungen auch im Wahljahr 2025 offensiv annehmen. Wir haben das Know-how und die richtigen Rezepte, um Probleme zu lösen. Allerdings müssen uns Politik und Krankenkassen auch mit den dafür erforderlichen finanziellen Grundlagen ausstatten“, unterstrich der KVNO-Vorstand zum Schluss seines Berichts an die Delegierten. Einen besonderen Appell richtete KVNO-Chef Bergmann dabei explizit an die Kostenträger – diese seien „gerne aufgefordert“, sich aktiv und konstruktiv zum Wohle der Patientinnen und Patienten innerhalb des Systems der Selbstverwaltung einzubringen.