Letzte Änderung: 20.11.2023 13:04 Uhr
Vorhaltefinanzierung für die ambulante Notfallversorgung ist lange überfällig!
Statement des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), Dr. med. Frank Bergmann, und seines Stellvertreters, Dr. med. Carsten König, zur aktuellen Lage im kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst.

In diesen Wintermonaten ist aufgrund von Infektwellen wieder mit einer starken Inanspruchnahme und Auslastung des Notdienstes zu rechnen. Das RKI berichtet in seinem aktuellen Wochenbericht (KW 45) schon jetzt von 6,8 Millionen akuten Atemwegserkrankungen in Deutschland. Dies sind mehr als in den vergangenen Jahren zu diesem Zeitpunkt. Die Anzahl der Arztbesuche wegen akuter Atemwegserkrankungen steigt und liegt mit 1,5 Millionen wie im vergangenen Jahr auf einem hohen Niveau.
„Der ambulante Notdienst ist und bleibt eine wichtige Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten. Für eine gute ambulante Versorgung außerhalb der Sprechzeiten brauchen wir deshalb angemessene Rahmenbedingungen, um eine gleichbleibend hohe Versorgungsqualität gerade in den Infektionshochzeiten aufrecht erhalten zu können.
Finanzierung des Notdienstes ist unzureichend
Im stationären Bereich ist es völlig selbstverständlich: Die Vorhaltekosten für die Notfallversorgung werden finanziert. In der ambulanten Notfallversorgung werden diese Kosten nicht gegenfinanziert und lediglich die erbrachten Leistungen vergütet. Diese Benachteiligung der ambulanten Versorgung muss dringend beendet werden!
Eine Vorhaltefinanzierung für die ambulante Notfallversorgung ist lange überfällig. Die Gehälter der Medizinischen Fachangestellten sowie der Bereitschaftsärztinnen und -ärzte bedürfen einer Refinanzierung – außerdem müssen auch die Kosten der Notdienstpraxen selbst getragen werden. Dazu kommt, dass die vertragsärztlichen Leistungen im ambulanten Notdienst nicht angemessen bezahlt werden. Deswegen braucht es an der Stelle auch dringlich eine höhere und extrabudgetäre Vergütung.
Unzureichende Finanzierung und mögliche Sozialversicherungspflicht verschärfen Personalmangel
Ohne eine angemessene Vergütung wird es immer schwieriger, Nachwuchsmedizinerinnen und -mediziner für die ambulante Versorgung zu gewinnen. Der Personalmangel kann nicht durch Überstunden aufgefangen werden, denn es geht hierbei um die Versorgung von Patientinnen und Patienten. Niemand möchte, dass aufgrund langer Wartezeiten und der Überlastung von Bereitschaftsärztinnen und -ärzten die Behandlungsqualität sinkt.
Die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte arbeiten in ihren Praxen bereits am Limit. Viele von ihnen lassen sich daher für die zu leistenden Notdienste vertreten. Durch die Ende Oktober bekanntgegebene Entscheidung des Bundessozialgerichts könnte das in Nordrhein verbreitete Vertreterwesen in bestimmten Fällen als sozialversicherungspflichtig eingestuft werden.
Bei denjenigen, die in Vertretung die Bereitschaftsdienste übernehmen, handelt es sich in der Regel um bereits berentete oder im Krankenhaus tätige Ärztinnen und Ärzte. Sollte bei dieser Vertretungstätigkeit künftig die Sozialversicherungspflicht greifen, hätte dies erhebliche Auswirkungen: Durch die zusätzliche bürokratische und finanzielle Belastung müssen wir davon ausgehen, dass dann deutlich weniger Vertretungsärztinnen und -ärzte zur Verfügung stehen. Die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte müssten die Notdienste wieder selbst übernehmen, was eine Niederlassung immer unattraktiver macht. Dies können wir uns nicht leisten, was alleine die Zahl von mehr als 500 unbesetzten Hausarztsitzen in Nordrhein sehr deutlich macht.
Wir haben von der Politik wiederholt verlangt, eine Ausnahmeregelung von der Sozialversicherungspflicht zu schaffen, wie sie etwa für die Notärztinnen und Notärzte im Rettungsdienst gefunden wurde. Dass unsere Forderung anscheinend nicht erhört wird, ist unbegreiflich. Ohne die Mitwirkung von Nicht-Vertragsärztinnen und -ärzten wäre die Sicherstellung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch die Kassenärztlichen Vereinigungen in unmittelbarer Gefahr.
Wir als KVNO sind bereits tätig geworden, um den besonders durch die Infektionswellen im Winter belasteten kinderärztlichen Notdienst zu entlasten. Ab dem 2. Dezember gibt es das Zusatzangebot der Videosprechstunde, bei der qualifizierte Kinderärztinnen und Kinderärzte über Smartphone oder Tablet für Eltern und ihre Kinder erreichbar sind. Nun ist es an der Zeit, dass auch der Gesetzgeber handelt!