Letzte Änderung: 15.06.2022 11:12 Uhr

Selbsthilfegruppe "gemischte tüte" - Erfolgreich durchgestartet

Trotz der Herausforderungen zu Zeiten der Pandemie sind einzelne Selbsthilfegruppen fulminant gewachsen. Was sind die Erfolgsgeheimnisse?

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© gemischtetuete.org

2021, Lockdown, Jahr zwei der Corona-Pandemie. Die gesundheitliche Selbsthilfe hat schwer zu kämpfen, vieles liegt brach. Aber einigen kreativen Müttern gelingt es dennoch, in kürzester Zeit ein Netzwerk zum Wohle ihrer chronisch kranken Kinder aufzubauen.

Das Bild zeigt eine Tüte mit Kinderhänden und drumherum sind Krankheiten aufgezählt, die im Elternnetzwerk "gemischte Tüte" vorhanden sind.
© Gemischte Tüte

Die „gemischte tüte“ ist ein Elternnetzwerk in Düsseldorf und Umgebung. Gegründet wurde es von Karoline Peters und Lena Meschede am 28. Februar 2021 anlässlich des Rare Disease Day, dem internationalen Tag der Seltenen Erkrankungen. Sie haben beide ein Kind mit einer unterschiedlichen seltenen Erkrankung und daraus resultierenden Behinderungen. „Die Gruppe ist aus dem Gedanken der Isolation, aus einem Tiefpunkt heraus entstanden“, erzählt Peters. „Man war zu der Zeit sehr allein, auf sich gestellt, es gab keine Eltern-Kind-Gruppen oder gemeinschaftliche Frühförderangebote.“

Beide Frauen haben rasch gemerkt, wie wertvoll der Austausch auf Augenhöhe ist. „Für die Entwicklung der Kinder ist wichtig, dass sie ein liebevolles und positives Lebensumfeld haben. Von anderen Eltern praktische organisatorische Tipps zur Bewältigung des Alltags zu erhalten, schafft Kapazitäten und trägt zur Erleichterung bei.“

Großer Zulauf

Mittlerweile haben sich dem Netzwerk für Eltern von Kindern mit seltenen Erkrankungen mehr als 70 Familien angeschlossen. Auch wenn die Diagnosen der Kinder bunt gemischt sind, gibt es eine große Schnittmenge an Themen. „Ein ehrlicher und persönlicher Austausch z.B. über Ärzte, Therapeuten, Pflegegrade oder ggf. auch Hilfsmittel wie Therapiestuhl, Stehständer oder Aktivrollstuhl ist für alle von großem Nutzen.“

Der bemerkenswerte Erfolg ist auf eine gute Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit zurückzuführen. Ähnlich wie bei einem Start-up-Unternehmen haben die Gruppengründerinnen einen Bedarf und Wachstumspotenzial für ihre Idee gesehen. Zum Start des Elternnetzwerks war bereits eine Webseite mithilfe einer befreundeten Webdesignerin fertig gestellt worden. Den sehr ansprechenden Texten und Bildern merkt man an, wie viel Zeit und Herzblut in ihnen steckt. Karoline Peters: „Wir möchten Barrieren in den Köpfen der Leute abbauen, darum sind Öffentlichkeitsarbeit und sympathische Bilder wichtig!“

1.000 Flyer wurden gedruckt und an entsprechenden Stellen verteilt. „Sozialpädiatrische Zentren, Frühförderstellen, Kliniken … wir haben überlegt, wo sind die Hotspots, wo gehen betroffene Familien hin?“ Eine Pressemitteilung wurde verfasst und u.a. vom Selbsthilfebüro Düsseldorf verschickt. Das örtliche Familienmagazin griff die Meldung direkt auf.

Und tatsächlich: Sehr schnell haben sich Interessenten gemeldet. Mit allen wird persönlich telefoniert. Zunächst wurden Informationen und Tipps über eine sichere Messengergruppe und Online-Pinnwände geteilt und ein Instagram-Kanal bespielt. Die ersten Treffen fanden digital per Zoom statt. Vor allem jüngere Menschen mit Kindergarten- oder Schulanfängerkindern waren es, die auf diesem digitalen Weg in die Selbsthilfe gefunden haben.

Gemeinsam wachsen und stärker werden

Inzwischen begegnen sich die Eltern bei Stammtischen, Familiennachmittagen und so genannten „Storytelling-Abenden“, also klassischer Selbsthilfegruppenarbeit vor Ort. Kürzlich kamen bei einem Familiennachmittag über 80 Personen in einem Park zusammen.

Nach wie vor digital werden Online-Themenabende angeboten. Dazu lädt die „gemischte tüte“ professionelle Referenten etwa zum Thema Physiotherapie ein. Die Fachvorträge finden abends statt, wenn die Kinder im Bett sind. Das hat sich bewährt und erhöht für alle Interessierten die Möglichkeit teilzunehmen.

Und noch weitere Projekte sind entstanden: Im Netzwerk wurde bedauernd festgestellt, dass es keine Schwimmkurse für behinderte Kinder gab. Kurzerhand fanden sich 20 Eltern zusammen und schufen in Kooperation mit der AWO ein neues Angebot: inklusives Eltern-Kind-Schwimmen. Auch diese Freizeitaktivität wird inzwischen gut genutzt.

Beim Patenschaftsprogramm helfen erfahrene Familien „Neulingen“ mit ganz frischer Diagnose und beraten sie bei den anstehenden Schritten und Herausforderungen.

Angesichts der vielseitigen Aufgaben hat sich das Leitungsteam der „gemischten tüte“ mittlerweile auf fünf Mütter erweitert. Elisa Baron, Katharina Prokop und Susanne Angel komplettieren das Leitungsteam. Inzwischen verfügen sie über Mittel aus der Selbsthilfeförderung der Krankenkassen und möchten einen gemeinnützigen Verein gründen. Karoline Peters: „Die Gruppe ist unser Herzensprojekt und auch so etwas wie eigene Therapie. Wir haben noch viele Ideen für die Zukunft!“